Barockes nach Gutsherrenart

Auch italienische Märchen beginnen mit: Es war einmal - C'éra una volta. Wird in einer so benannten italienischen Osteria ein Märchen wahr? Kann da der Koch mit dem Kochlöffel zaubern? Vielleicht klappt ja der Service wie Hexerei, und man wird hofiert wie ein König. Weil es solche Wunder nur im Märchen gratis gibt, bemerken wir noch: Einen Dukatenesel haben wir leider nicht, aber großen Hunger.

Was die zwei letztgenannten Dinge betrifft, so sind die gemeinhin nicht die ideale Voraussetzung für den Besuch eines italienischen Restaurants, von dem dir Freunde versicherten, es sei absolut „in“. Noch etwas verschreckt von Erfahrungen mit zierlichen Portiönchen und gesalzenen Preisen probieren wir unser Glück dennoch im „C'éra Una Volta“.

In diesem versteckten Fachwerkhaus wirkt und werkt Luigi (38), dessen Nachname, wie bei italienischen Wirten üblich, keiner kennt. Erst anderthalb Jahre in Nürnberg, hat er sich dank seiner komödiantischen Ader und der Marotte, ab und zu eine Barockperücke zu tragen, den Ruf eines Originals erworben. Dieser Wirt, Typ Latin Lover, steuert sein Schiffchen mit Hilfe seines Bruders (Koch) und beider Mama (Köchin) schnurstracks gegen den Wind.

Luigi, der Kalabrier, ist unmodern. Er mag keine knochenharten Sitzmöbel, keine cool durchgestylten Wandelhallen, keine öden, kalkweißen Wände. Er pflegt in seinem Restaurant seinen ureigenen Spleen fürs opulent Barocke. Um's präziser zu definieren: Luigi behauptet, daß kein Mensch auf der Welt je so göttlich gut lebte und so feudal tafelte wie der kalabrische Landedelmann im 18. Jahrhundert. Ob das historisch haltbar ist, mag dahingestellt sein. Luigi jedenfalls sorgt in seinem Restaurant für Behaglichkeit, prächtige Stimmung und fulminante Riesenportionen nach süditalienischer Gutsherrenart. Die sind gekonnt auf tablettgroße ovale Teller drapiert und sehen so poppig-bunt aus, als seien es Bilder in einem Gourmet-Journal. Auch im Raum ist alles schön heiter und farbenfroh - ein himmelblaues, kleines Kabinett mit einem Dutzend quadratischer Tische. Überall Kerzen, auf den Tischen Rosen. Rosmarinduft dringt aus der Küche. Aus den Lautsprechern tönt Vivaldi.

Italiener haben's in gewisser Weise leicht. Ihr Heimatidiom gilt, Kulinarisches betreffend, als nicht übersetzungsfähig. Auch Luigi hat sein (täglich wechselndes) Speisenrepertoire - Spezialität: Fisch und vegetarische Gerichte - in Italienisch auf zwei große Tafeln gekritzelt. Bei „Fusilli a la Luigi“ (später als Nudeln mit Salami und Tomaten enttarnt) kapitulieren wir. Jetzt empfiehlt der Meister, wir folgen. Der Prolog: ein Gläschen Mionetto-Prosecco (sechs Mark), dazu ein Vorspeisenteller, nein: ein Berg aus Vorspeisen (14,50 Mark). Besonders lecker die Antipasti: das Schwertfischcarpaccio, die frittierten Sardinen und die Kräutertomaten. Es folgen ein schwärmerischer Vortrag des Wirts über die Vorzüge seiner hausgemachten Nudeln und deshalb dreierlei Pasta (15 Mark). Wenn wir hier die Spaghetti mit Knoblauchgarnelen als das Beste rühmen, werden wir leider der Güte des lind gewürzten Rosmaringemüses nicht gerecht, geschweige denn den von Pestosoße bedeckten, mit Rucola und Mozzarella gefüllten Gnocchi. Harmonische Ergänzung: der kräftige rote Landwein aus den Abruzzen (Liter 19,50 Mark).

Es wird eng im Magen. Ein Stückchen köstlich frischer, gegrillter Lachs drängelt sich dank Luigis Überredungskünsten noch hinein. Die komplette Portion mit Lachs, Scampi, Schwertfisch- und Seeteufelfilet (mit Beilagen 35 Mark) probieren wir lieber das nächste Mal. Als wir Luigi sagen, daß nun nichts mehr geht, daß wir keines der tollen Dolci (Panna Cotta 7 DM, Vanilletorte mit Mascarponesoße) nehmen, stürzen wir ihn in tiefe Verzweiflung, über die ihn die Order eines Espressos (2,50 DM) wenig hinwegtröstet.

Das kleine Restaurant ist immer noch randvoll. Es wird gelacht, geschmaust, gekleckert. Luigi sitzt mal hier, plaudert mal da. Nebenan futtern sie schon zwei Stunden. Und wenn sie noch nicht satt sind, dann schmausen sie noch heute.

„C'éra Una Volta“, Johannesgasse 51, 90402 Nürnberg,
Telefon (09 11) 2 44 85 44;
täglich 17.30 bis 0.30 Uhr. 48 Sitzplätze in einer Stube,
Reservierung erbeten.

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