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zum Inhalt Medien und GesellschaftLiegt das Weltwissen wirklich in den Sternen?Zur Esoterik gehört die AstrologieEsoterische Texte sind kaum je eindeutig und klar. Sie machen Andeutungen, sie raunen, sie verlangen nach Interpretation. Sonst hätte die Zunft der Deuter ja keine Aufgabe. Sonst könnte sie mit ihrem behaupteten Wissensvorsprung kein Geschäft machen. Nehmen wir als Beispiel den zweiten der dreizehn Sätze auf der berühmten Smaragdtafel des Hermes Trismegistos. Er lautet: "Was unten ist, ist wie das, was oben ist, und was oben ist, ist wie das, was unten ist, um die Wunder des Einen zu vollbringen." Bekanntlich war Hermes Trismegistos ein Gott oder Weisheitslehrer der ägyptischen Antike. Und seit alten Zeiten wurde von der Existenz der Smaragdtafel gemunkelt. Doch gefunden hat man sie nie. Es gibt nur vorgebliche Abschriften aus viel späterer Zeit. Eine lateinische Übersetzung machte sie im 13. nachchristlichen Jahrhundert im Abendland bekannt. Man sieht, schon der Ursprung dieser Quelle der Weisheit ist absolut dunkel, esoterisch, geheimnisvoll. Himmel und Erde Und auch der zitierte zweite Satz ist nicht sofort einleuchtend: "Was unten ist, ist wie das, was oben ist......" Die Deuter haben das als "Gesetz der Analogie" entschlüsselt. Es geht um die Ähnlichkeit des Geschehens am Himmel und auf der Erde. Die Astrologie ist das bekannteste Beispiel für solche Ähnlichkeit: Das Schicksal eines Menschen auf der Erde soll abhängig sein von der Konstellation der Sterne im Augenblick seiner Geburt. Hier wird eine Kausalität behauptet, ein Zusammenhang hergestellt, der mit den Mitteln der Naturwissenschaft nicht zu überprüfen ist und der auch nichts mit Zufall zu tun haben soll. Esoteriker kennen viele solcher Zusammenhänge: Mit unruhigen Gefühlen denke ich an einen Freund, der im selben Moment einen Unfall erleidet. Ist da ein paranormaler Energiestrom geflossen? Am Todestag eines Verwandten platzt eine Glühbirne oder fällt ein Buch aus dem Regal. Meldet sich der Verstorbene als Poltergeist aus dem Jenseits? Der Esoteriker wird diesen Zusammenhang herstellen und diese Beziehung zwischen den Ereignissen behaupten. Seltsam nur, daß es bisher trotz großer experimenteller Aufwände nicht gelungen ist, in solchen Fällen andere als Zufallsregeln zu entdecken. Damit wird das "Gesetz der Analogie" zur puren Glaubenssache. Und gerade an den Einfluß der Sterne auf ihre Lebensbahn sind sehr viele Menschen zu glauben geneigt. Horoskope sind Zeitungsrubriken, die auch von Skeptikern gern gelesen werden. Man nimmt sie nicht ernst, aber man freut sich über positive Voraussagen. Aus dem Widder wurde der Fisch Nur sind die Festlegungen der Sternen-Konstellationen als Widder, Schütze oder Waage unter Voraussetzungen entstanden, die heute längst keine Gültigkeit mehr haben: in der Antike nämlich, als man davon ausging, daß sich die Sonne um die Erde dreht. Dabei schien sie im Jahreskreis zwölf verschiedene Stern- oder Tierzeichen zu durchlaufen. Zu jedem Tierkreiszeichen wurden willkürlich Sterne zusammengefaßt, die Hunderte von Lichtjahren auseinanderliegen (was man damals nicht wissen konnte). Andere wurden ausgeblendet. Und mit dem Blick des Teleskops hat dieser unbebrillte Menschenblick schon gar nichts zu tun. Überdies stimmen die Tierkreiszeichen durch die Schräglage der Erdachse inzwischen nicht mehr mit den Sternbildern überein, auf die sie einst projiziert worden sind. So ist der Widder längst zum Fisch geworden. Wie also sollen Schicksal und Persönlichkeit von historischen, auch damals schon willkürlichen Setzungen abhängig sein können? Die Einwände helfen nichts. Astrologie ist ein prächtiges Geschäft. Inzwischen hat sie sich mit dem Computer sogar den Schein von Modernität und Berechenbarkeit zugelegt. Die Astrologen setzen Tierkreiszeichen, Aszendenten, Häuser, Planeten und Aspekte zueinander in Beziehung. Dazu kommen Elemente, Tiere, Pflanzen, Steine, Farben, Zahlen - alles nach dem "Gesetz der Analogie". So steht der Widder in Beziehung zu Feuer, Tiger, Distel, Diamant, der Farbe Rot und den Zahlen 7, 47, 87. Der Astrologe hat seine Angebotspalette längst über das Erstellen eines Geburtshoroskops hinaus verbreitert. Zu seinen Dienstleistungen gehören nunmehr auch Terminberatung (hier bekommt die wörtliche Übersetzung von Horos-Skop als Termin-Schau ihren Sinn), Mundan-Astrologie (als Voraussage von Weltentwicklungen, u..a. der Entwicklung der Finanzmärkte auf Sternenbasis) oder Astromedizin (Krankheitsanfälligkeit nach Tierkreiszeichen). Wir glauben so gern, daß die Sterne nicht lügen. Aber eine Wahrheitsgarantie geben sie erst recht nicht. Herbert Heinzelmann |