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"Don't worry, be happy..."

"Positives Denken" ist Teil moderner Esoterik

Bei Kindern ist das selbstverständlich: Sie stoßen sich an einem Tisch, und sie beschimpfen den Tisch dafür: "Du blödes Ding!" Als sei das Ding belebt. Der Erwachsene ist von dieser naiven Haltung auch nicht immer weit entfernt. Die meisten von uns haben offensichtlich noch Relikte aus der Zeit des Animismus in ihrem Stammhirn gespeichert, als die Menschen glaubten, die ganze Welt um sie sei beseelt: Im Baum wohnt die Fee, in der Quelle die Nymphe.

Spätestens die Aufklärung hat uns von dieser Überzeugung abgebracht. Spätestens das Zeitalter der Esoterik hat sie uns aber in gigantomanischer Version zurückgeholt. Der Chemiker John Lovelock hat uns die "Gaia-Theorie" unterbreitet. Danach ist der ganze Globus selbst ein riesiger Organismus, ein Lebewesen mit eigenem Stoffwechsel, eigener Atmung usw. Merkwürdig nur, daß Lovelock ausgerechnet das Wesen, das den Erdball am meisten schädigt, zu Gaias Hirn erklärt hat: den Menschen. Dabei kann es sich doch nur um eine Art Meningitis handeln.

Dämonen hier, Engel dort

Aber geheimnisvolle Erklärungsmodelle des Daseins sind sehr beliebt. Ein uraltes Modell ist das der be-geisterten Natur, in deren unsichtbarem Zwischenreich es von Geistwesen nur so wimmelt: Dämonen hier, Engel dort. Sie bedrohen den Menschen oder sie beschützen ihn. Man kann sie beschwören. Dämonen mit den Zauberformeln und Pentagrammen der "Schwarzen Magie", die das Böse zu eigennützigen Zwecken herbeiruft. Oder man muß sie bannen, denn sie sind ja zum Beispiel für Krankheiten verantwortlich (vor allem für Geisteskrankheiten, die man sich früher physiologisch nicht erklären konnte). Dann benutzt der katholische Priester auch heute noch das "Rituale Romanum", das Formelbuch des Exorzismus und der Teufelsaustreibung.

Die Rückkehr der Engel dagegen ist eine der allerjüngsten esoterischen Moden, offensichtlich ein Versuch, die sektiererische Esoterik mit der traditionellen Religion zu versöhnen. Tatsächlich werden auf dem Esoterik-Markt zunehmend Kurse und Workshops angeboten, in denen Engel als persönliche Helfer und Schutzgeister angerufen und herbeizitiert werden können _ "Wesen, die in den Welten zwischen der grobstofflichen Welt des Menschen und dem Urquell aller Energie, Gott selbst, leben", heißt es in einem Engel-Buch.

Es ist freilich billig, über solche Phänomene die Nase zu rümpfen. Die wenigsten von uns sind ganz frei von magischen Resten. Tragen nicht viele ganz unschuldig Amulette um den Hals, "Anhängsel" (so die Übersetzung aus dem Arabischen) zur Dämonenabwehr, selbst wenn sie in der arglosen Form eines Maskottchens am Rückspiegel des Autos oder am Schlüsselbund vorkommen? Denn auch das Maskottchen kommt von einem Wort für Zauberer, dem provenzalischen "masco".

Kraft des Geistes

Und haben wir nicht umgekehrt genauso eine große Neigung zu Talismanen als Glücksbringern, hüten irgendwo ein vierblättriges Kleeblatt oder tragen eine Karpfenschuppe zur wunderbaren Geldvermehrung in der Börse? Womöglich haben solche Zaubermittel durch die Kraft der Autosuggestion und der Prophezeiung, die sich selbst erfüllt, gar eine kleine Wirkung.

Der Esoteriker wird das selbstverständlich als Kraft des Geistes werten. Seit einigen Jahren ist eine besondere Geisteskraft in der Psychoszene, die der Okkultszene immer näherrückt, verbreitet: die Technik des positiven Denkens. Sie wurde von Prentice Mulford, Norman V. Peale und Joseph Murphy entwickelt und besagt _ wieder gemäß dem Analogieschluß _, daß positive Gedanken zu Lebensglück führen, negative Gedanken dagegen zu einem unglücklichen Leben. Gleiches soll Gleiches hervorrufen. Diese Ideologie hat sich bis in die Pop-Kultur durchgesetzt. Der Schlager "Don't worry, be happy" ist ihre Hymne geworden.

Auch hier finden wir magisches Bewußtsein, Beschwörung, Selbstsuggestion _ moderne Formen uralter Ekstase-Techniken des Schamanismus. Die Zauberer und Medizinmänner der Naturreligionen Amerikas, Sibiriens, Afrikas erleben entsprechend eine blühende Konjunktur. Die schamanische Selbstversenkungs-Kultur des Tanzes wird von der Generation der Raver in nächtelangen Techno-Parties imitiert und profanisiert. Abtanzen macht glücklich. Der Rhythmus führt zum Rausch. Und auch die Schamanen benutzen Drogen zur Steigerung ihrer Erregung.

Don't worry - auch esoterisch, aber egozentrisch und letztlich asozial.

Herbert Heinzelmann

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