Zurück zum Inhalt Medien und GesellschaftMancher sehnt sich nach HexenmachtZauberei, magische Gemeinschaften und raunende Formeln Von den alten Assyrern ist ein Zauber gegen einen bösen Hund überliefert, der im Hause eines Mannes heult oder seinen Urin verspritzt. Man soll eine Tonfigur des Hundes anfertigen, sie mit Ziegenhaar und Pferdeborsten bekleiden und ihren Kopf mit Öl besprengen. Dann soll man einen Altar für den Gott Samas errichten, soll Brote, Datteln, Honigkonfekt und Krüge mit Bier darauf schichten, und unter Hochhalten der Hundefigur die Beschwörung sprechen: "..... Wegen dieses Hundes, der auf mich gepißt hat, bin ich erschrocken, alarmiert, verängstigt. Wende ab von mir das Böse dieses Hundes, dann werde ich dein Lob singen." Das klingt nicht nur ziemlich aufwendig, sondern auch reichlich grotesk. Aber es ist keineswegs jahrtausendeweit von der esoterischen Alltagspraxis des modernen Menschen entfernt. Auch der Zeitgenosse möchte, wie einst der Assyrer, Macht über die Dinge und die Natur ausüben. Das heißt, er möchte auf sie Einfluß nehmen mit den Kräften der Magie. Magie übersetzen wir meistens schlicht mit "Zauberei". Wo das Wort genau herkommt, ist umstritten. Wahrscheinlich von dem altiranischen "Magus", das den Priester und Weisen bezeichnet hat. Wenn die Engländer von den drei Weisen aus dem Morgenland sprechen, dann benutzen sie immer noch das Wort "Magi". Diese Magi, oder auf Deutsch Magier, waren also fähig, die Normalität der natürlichen Vorgänge zu durchbrechen, indem sie bestimmte Techniken anwandten, Zeichen malten oder Beschwörungsformeln sprachen. Analogiezauber Im Beispiel des assyrischen Hundes finden wir neben der Beschwörung eines Geistwesens noch die Praxis des Analogiezaubers. Vom Hund wird ein Abbild aus Ton gemacht. Das magische Bewußtsein geht - entsprechend dem zweiten Gesetz des Hermes Trismegistos - davon aus, daß Dinge, die sich ähnlich sind, auch gleiche Eigenschaften haben. Sogar der Name soll Einfluß auf seinen Träger besitzen. Die biblische Erzählung von Adam, der den Tieren ihren Namen geben soll, besagt, daß er durch diesen Akt die Macht über sie gewinnt. Den bekanntesten Gebrauch des Entsprechungszaubers findet man im Voodoo-Kult. Seine Wurzeln hat er bei den afrikanischen Sklaven in den USA. Neben der Beschwörung von Toten wird die Abwehrmagie gepflegt. Sie besteht darin, von abzuwehrenden Personen Figuren (meist aus Wachs) herzustellen und Nadeln hindurchzustechen. Angeblich sollen an den durchstochenen Körperteilen bei der Realperson Schmerzen und Verletzungen auftreten. Die Zerstörung des Kopfes soll sogar töten können. Verstärkt wird die Zauberwirkung, wenn persönliche Gegenstände oder Haare des Opfers in die Figur eingearbeitet werden. Denn Nähe verleiht quasi einen energetischen Fingerabdruck, der Einfluß auf die Energiequelle nehmen kann. Antike Riten, fremde Kulte - man könnte deratiges als Exotismus abtun, würde es nicht auf den modernen Esoteriker große Faszination ausüben. Sein Weltbild entspricht ja dem magischen Bewußtsein. Er geht von einem Geist-Reich hinter der sichtbaren Wirklichkeit aus. Er glaubt an übersinnliche Beziehungen zwischen Mensch und Ding. Also glaubt er auch, mit magischer Praxis die Natur in seinem Interesse zwingen zu können. Lehrbücher der Magie Und weil schon Goethes Faust, der sich bekanntlich der Magie ergeben hatte, aus dem "geheimnisvollen Buch von Nostradamus' eigener Hand" lernen mußte, werden auch heute zahlreiche magische Lehrbücher angeboten, zum Beispiel "Magische Rituale". Es unterrichtet unter anderem "über die magische Arbeit mit Pflanzen, Kräutern und Düften". Oder "Huna - Für Einsteiger und Praktiker": "Lang geheimgehaltene Rituale zur Beschwörung natürlicher und übernatürlicher Kräfte sind ebenso Thema wie unglaubliche Heilwirkungen, Körpermeditationen, die Beseitigung alter Blockaden......" Oder "Mit Hexenmacht die Welt verändern", in dem "meisterhaft vermittelt" wird, "wie richtig verstandene und eingesetzte Magie, wirkliche Hexenmacht, als eine Psychologie der Befreiung über den persönlichen und sozialen Wandel zu führen vermag". Raunende Formeln werden mit zeitgemäßen Begriffen wie "Psychologie der Befreiung" und "sozialer Wandel" verbunden. Und schon erleben wir die ungebrochene Präsenz des assyrischen Hundebanns im 20. Jahrhundert. Kein Wunder, daß magische Gemeinschaften, wie der moderne Hexen-Kult "Wicca" oder manche Satanssekte großen Zulauf finden. Auch wenn man dort aus Neugier oder Sensationslust bloß mal schnuppert - der alte Märchenwunsch, zaubern zu können, ist offensichtlich unbesiegbar. Herbert Heinzelmann |