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Die „Wechselbar“ kann man wochenweise mieten
Chance für Wirte auf Probe

„Wer nichts wird, wird Wirt“, sagt der Volksmund. Doch für den Job hinter der Kneipentheke braucht ein Wirt mehr als Trinkfestigkeit und gute Nerven. „Wirt sein, das heißt sieben Tage in der Woche im Einsatz zu sein“, sagt die Berliner Kneipenbesitzerin Angelika Haß. Um potentiellen Nachwuchswirten eine Chance zu geben und auch „weil die eigene Kraft nicht mehr ausreicht“, bietet die Wirtin ihre Wechselbar“ im Berliner Bezirk Wilmersdorf jetzt als Experimentierplatz an. Für die Zeit von einer Woche bis zu einem Monat können sich Interessenten als „Wirt auf Probe“ anmelden.

Bereits 25 Berliner aller Altersgruppen haben sich gemeldet, um die „Wechselbar“ in der Barbarossastraße als Kneipier auf Zeit anzumieten. „An Konzepten ist vom Western Saloon bis zur Gerichtsklause alles dabei“, erzählt Frau Haß. Einzige Bedingung ist, daß alle, die in der Küche arbeiten, eine sogenannte rote Gesundheitskarte des Gesundheitsamtes vorlegen, die ihre Gesundheit bestätigt. Für etwa 3000 Mark pro Woche übergibt Barbesitzer Haß dann alle Geschäfte an die Gelegenheitswirte.

Seit ein paar Tagen haben sich Moderatoren des Berliner Jugendradio-Senders „Fritz“ in der „Wechselbar“ eingemietet, um für ihre Hörer einmal leibhaftig zu kochen, zu zapfen und zu kellnern. Vom Schulschwänzer-Frühstück bis zum Flirtseminar ist alles dabei. Auch Livesendungen werden aus der Kneipe moderiert. Die meisten Kneipen-Interessenten sind aber Privatleute, sagt die 54jährige Besitzerin.

„Die einen planen ein Café Paris mit live gespielter Klaviermusik, die anderen ein Lokal, das dem Wirtshaus im Spessart nachempfunden ist“, erzählt die Wirtin. Ein Ehepaar wolle aus der „Wechselbar“ ein mallorquinisches Restaurant samt typischen Landesgerichten, Lesungen und Diavorträgen zu Mallorca machen. Auch eine Alt-Berliner Kneipe, wie sie der Milieumaler Heinrich Zille immer wieder aufs Papier brachte, soll aus der „Wechselbar“ werden.

Etwa 45 Plätze bietet die kleine Kneipe. Die Einrichtung besteht aus einfachen Holztischen und -stühlen. Der Kreativität der neuen Kneipenwirte sind bei der Gestaltung der „Wechselbar“ keine Grenzen gesetzt. „Nur die Wände dürfen nicht neu gestrichen werden“, meint Frau Haß. Blues, Gitarrenromanzen und sogar bayerische Blasmusik werden in der „Wechselbar“ in den kommenden Monaten je nach Teilzeit-Kneipier auch unterschiedliches Publikum anziehen. Erlaubt sei, was gefällt, sagt Wirtin Haß. Nur wilde Disco-Nächte oder gar kleine Techno-Raves scheiterten aus Rücksicht auf die Nachbarn.

Die „Wechselbar“ hat auch eine wechselhafte Vergangenheit hinter sich. 1983 kaufte Haß die Bar und machte daraus die Bistrokneipe „Bar-Barossa“. Nach fünf Jahren vermietete sie die Räume, die „Pizzeria Fontana“ entstand. Schließlich zog ein Restaurant mit dem Namen „Kyffhäuser“ ein, bis dann schließlich die „Wechselbar“ daraus wurde. Dort dürfen die „Wirte auf Probe“ ihre erwirtschafteten Gewinne behalten, aber auch Verluste müssen selbst getragen werden.

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