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zum Inhalt Medien und Gesellschaft Andy Warhol lebt! Seine Pop-art feiert ein fulminantes Comeback "Er war die größte lebende Kopiermaschine der Welt", urteilte die 60er-Jahre-Kultfigur Ultra Violet über Andy Warhol. Heute feierte der 1987 gestorbene Pop-art-Papst eine Art Auferstehung _ indem er selbst kopiert wird. Warhols kreativ-destruktive Weltsicht, seine bewußt mit Banalitäten spielende Kunst der unendlichen Vervielfältigung werden beschworen _ in der Mode, in Filmen, im Design und in Ausstellungen. Auch der Lebensstil, den Warhol in seiner legendären New Yorker Kunstwerkstatt "Factory" Ende der 60er Jahre zusammen mit einer buntgemischten Meute von Künstlern, Rockmusikern und Aussteigern pflegte, dient als Vorlage. Abziehbilder der Factory-Gestalten erscheinen auf Laufstegen und in In-Clubs. Gleich mehrere Filme machen in diesem Sommer die eigenwillige Szene um Warhol zum Thema: Eine junge Frau greift zur Pistole und schießt auf Andy Warhol. Der Pop-Künstler überlebt, aber seine "Factory", in der die Boheme des Plastikzeitalters den Drogen zuspricht, wird nach den Schüssen nicht mehr die gleiche sein. "I shot Andy Warhol" zeigt auch die fünf Minuten des Ruhms, die Valerie Solanas seinerzeit nach den Schüssen im Blitzlichtgewitter der Polizeireporter in Anspruch nehmen konnte, um ein feministisches Pamphlet zu präsentieren. Der Film der britischen Regisseurin Mary Harron erntete beim Festival in Cannes viel Applaus. Pop-Ikonen im Film Schnitt, Kamera und Drehbuch _ alles arbeitet der Popkunst zu, ist plakativ, aber dennoch abgründig: Ein eindringliches Porträt der Künstlerszene New Yorks abseits von "Peace, Love and Happiness". Im Dunstkreis von Warhols Factory-Szene bewegte sich auch die Sängerin Nico, der die deutsche Filmemacherin Susanne Oferdinger jüngst in dem vielbeachteten Porträt "Nico-Icon" ein Denkmal setzte. Auch Oferdinger begab sich bei ihrer filmischen Spurensuche auf die Nachtseite der Flower Power. Das ehemalig Kölner Model Christa Päffgen, das als Sängerin der Kultband "Velvet Underground" in Selbstisolation und Heroinsucht seinen künstlerischen Weg verfolgte, ist wie Valerie Prototyp dieser Szene. Auch die Mode gehört dazu: Warhol interessierte sich für alles, was mit Schönheit, Mode und Glamour zu tun hatte _ aus der Umgebung der Factory gingen neue Looks, Modestile und Starmannequins hervor. "Ob es symbolisch ist, Monroe in solch grellen Farben zu malen: Es ist Schönheit, und sie ist schön, und wenn etwas schön ist, dann heißt das schöne Farben, das ist alles", kommentierte Andy Warhol 1967 seine legendären, leuchtend-bunten Siebdrucke des Hollywoodstars. Es scheint nur in seinem Sinn, wenn die grelle Farbigkeit, die grafischen Muster und die psychedelisch angehauchten Motive der Pop-art und der mit ihr verwandten Op-art (Optical art) wieder die Modestrecken führender Hochglanz-Magazine beherrschen. In memoriam Marylin 1991 schickte Gianni Versace das Supermodel Naumi Campbell in einem aufsehenerregenden, mit Warhols Monroe-Motiv bedruckten Kleidchen über den Laufsteg _ hell- und grellsichtiger Vorbote einer Welle, die in diesem Sommer ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, aber auch noch im Winter munter weiterschwappen wird. Trendsetter wie D&G (die Zweitlinie von Dolce & Gabbana), Comme des Garçons, Issey Myake, oder John de Maya verwenden schrille Popfarben wie Pink, Gelb und Giftgrün, Werbemotive und Fotodrucke. Sie spielen mit Symmetrien, grafischen Blumenmustern und verwenden Warhol-Motive wie seine plakativen "Blumen" von 1964. Das Ganze erscheint auf Klamotten, die den typischen Schnitten der 60er nachempfunden sind: schenkelkurze Hängekleider in A-Linie, die mit Stiefeln kombiniert werden, knappe Pullunder und schmale Beatles-Anzüge für Männer. Der Blick zurück auf die 60er scheint in vieler Hinsicht verklärt, zumindest in der Mode bleiben meist nur die grell-leuchtenden Farben der Pop-art-Kultur übrig. Vielleicht ist es gerade die ideologische Leere, die in sogenannten postmodernen Zeiten so anziehend wirkt. Warhol selbst hatte in seiner Kunst und in seinem Leben tiefere Bedeutungsebenen abgelehnt: "Wer alles über mich wissen will, braucht nur die Oberfläche anzusehen; die meiner Bilder und Filme und von mir, und das bin ich. Da ist nichts dahinter." |