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Legale "Drogen" gibt`s auch im Computershop:
Macht das Internet süchtig?

Es müssen nicht unbedingt obskure Gestalten in dunklen Ecken sein, die einem Drogen verkaufen. Auch im Computershop kann man Fluchtmittel aus der Wirklichkeit erstehen. Anders als Heroin oder Schnaps ist aber das Internet gegenwärtig noch kein Thema bei den Nürnberger Suchtexperten. Über die Suchtgefahren des Internet wird unter den Bezeichnungen IAS (Internet Addiction Syndrome) und IAD (Internet Addiction Disorder) im Netz selbst, aber auch in zahlreichen Publikationen derzeit ausführlich diskutiert. In Nürnberg scheint es solche Auswüchse, bei denen die Leidtragenden ihre Ersparnisse, ihre Beziehungen und ihre Gesundheit dem World Wide Web opfern, nicht zu geben. "Da sind mir noch keine Fälle bekannt", sagt Georg Hopfengärtner, der Drogenbeauftragte der Stadt.

Ob es daran liegt, daß hier nur wenige überhaupt einen Internet-Anschluß haben, oder daran, daß die von manchen Psychologen propagierten Netzgefahren doch nicht so groß sind, kann Hopfengärtner daher bislang nicht beantworten. Nach seiner Auffassung dürfte es auf jeden Fall noch eine Weile dauern, ehe das Problem _ sofern es überhaupt eines ist _ direkt auf die Suchtberater zukommt. Und selbst dann sei es fraglich, ob der notorische Surfer wegen der eigentlichen Ursache eine Beratung aufsucht. "Vielleicht steht er wegen der hohen Telefonrechnung am Rande des Ruins und geht dann zur Schuldnerberatung", mutmaßt Hopfengärtner. "Vielleicht landet er aber auch bei der Eheberatung, weil ihm seine vernachlässigte Frau abgehauen ist."

Einsam in der Kammer?

Brigitte Welle, Sozialpädagogin bei der städtischen Familienberatung, glaubt, daß das Phänomen Internet-Sucht existiert, sich jedoch noch im verborgenen abspielt. "Die kleben einsam in ihrer Kammer und haben wenig Kontakt zu der Welt um sich herum", meint Welle. Ob krankhaftes Verhalten vorliege, könne man überdies meist erst sagen, "wenn das Denken monatelang nur um das Suchtmittel kreist". Und schließlich dauere es eine Weile, ehe die Angehörigen dem Betreffenden den Gang zu einer Beratungsstelle ans Herz legten. Für Reiner Müller-Horras, Suchtberater bei der Stadtmission, zeigt das Thema allerdings auch, daß es "gute" und "schlechte" Süchte gibt. Vor dem Computer zu sitzen, sei "gesellschaftlich anerkanntes Handeln". Das habe etwas mit Arbeit und Zukunft des Standortes zu tun. Deshalb, so glaubt Müller-Horras, bestehe auch von Kostenträgerseite kein Interesse daran, das Thema allzu hoch zu hängen. "Schon bei der Spielsucht war das so." Spielsüchtigen werde nur dann eine Kur bezahlt, wenn psychosomatische Gründe geltend gemacht würden.

Die Kostenträger hätten dabei argumentiert, "erst einmal Alkohol und Drogen zu behandeln", ansonsten aber "den Suchtbegriff nicht zu inflationär zu gebrauchen". Von daher, nimmt der Diplom-Sozialpädagoge an, werde das Internet mit Sicherheit nie den gleichen Stellenwert wie die klassischen Drogen erhalten, selbst wenn sich dies als fachlich nicht gerechtfertig erweisen sollte. Die Berater bei Stadt und Stadtmission fühlen sich dennoch in der Lage, auch Computersüchtigen oder deren Eltern mit Rat und Tat weiterzuhelfen. Dabei sind allerdings Wartezeiten von ein bis zwei Monaten einzukalkulieren. Auch im Internet selber gibt es inzwischen eine Selbsthilfe-Adresse, die "Anonymen Internet-Geschädigten". Müller-Horras hält ein solche Form der "Hilfe über das krankmachende Netz" jedoch für "pervers". Genausogut könne man einen Alkoholiker "zur Therapie in die Wirtschaft schicken".

 

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