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Kerze im Leuchtturm

Ulrich Großmann: Besucherschwund im Germanischen Nationalmuseum soll bald der Vergangenheit angehören

Die Mühlen im Germanischen Nationalmuseum mahlen langsam. Programme und Projekte brauchen lange Anlaufzeiten. So war es bislang kaum möglich, das Erbe des früheren Generaldirektors Gerhard Bott von den Taten seines Nachfolgers Ulrich Großmann zu trennen. Buchstäblich mit einer Hypothek - zweieinhalb Millionen Schulden - war der Neue aus Lemgo in Nürnberg angetreten. Neue Impulse sollte er setzen - was darunter zu verstehen war, machten die Zuwendungsgeber des GNM, Bund, Freistaat und Stadt, bald deutlich: Schuldenabbau um jeden Preis. Daß man damit kein brillantes Programm machen kann, zeigte das erste matte Jahr unter Großmann. Und das zweite - inzwischen waren die Miesen abgebaut - ließ ebenfalls bis auf spärliche Glanzlichter kaum Raum für Euphorie.

Hoffen aufs Jahr 2002

Nach zwei Jahren am GNM zieht Großmann in einem Gespräch mit der NZ trotzdem eine "positive, erfreuliche Bilanz". Freilich ist er hauptsächlich auf Erfolge stolz, die der Besucher (noch) nicht wahrnimmt. Unter ihm sei die Verwaltung reorganisiert worden, sagt der Generaldirektor, außerdem sei durch die neubesetzten Wissenschaftlerstellen ein "erheblicher Anschub fürs Haus" zu erwarten. Drei Abteilungen - wissenschaftliche Instrumente, Ur- und Frühgeschichte und 20. Jahrhundert, Teil eins - konnten 1995 neueröffnet werden. Die Sanierung des Hauses nimmt ihren Lauf. Im Jahr 2002 wird der chronologische Rundgang durch die Sammlungen weitgehend fertig sein, das Grundkonzept dafür liegt zur Zeit dem Verwaltungsrat zur Verabschiedung vor. "Es ist viel passiert, man sieht aber noch nicht viel", räumt Großmann ein.

Immerhin hat er erreicht, daß er bei den Haushaltsberatungen dabeisein darf. Einen um 50.000 Mark erhöhten Ausstellungsetat konnte er so durchsetzen. Das sei freilich wenig mehr als ein Signal des guten Willens von Seiten der Zuwendungsgeber. Wenn die, wie immer wieder verlangt, echte Highlights zu sehen wünschten, müßten sie weit mehr Geld zuschießen: "Die wollen einen strahlenden Leuchtturm, ich kann aber nur eine kleine Kerze hineinstellen", klagt der Generaldirektor.

Events sind nicht alles

Empfindlich reagiert er auf die Erwartungen der Öffentlichkeit, wirklich bedeutende, spektakuläre Präsentationen im GNM zu sehen. "Es ist doch ein Unsinn, von einem Event zum nächsten zu hetzen", meint Großmann. Überhaupt sei die Zeit überragender Ausstellungen vorbei, man bekomme kaum noch bedeutende Leihgaben, "so etwas wie die Dürer-Schau 1971 wird es nicht mehr geben." Daß es anderen Institutionen sehr wohl gelingt, Spektakuläres zu zeigen, verschweigt er jedoch.

Für die nächste Zeit hat er sich jährlich zwei große und zwei bis vier kleine Ausstellungen vorgenommen _ eine unkoordinierte Ansammlung wie im laufenden Jahr soll nicht mehr vorkommen. Folgende Schwerpunkte will das GNM setzen: 1998 soll sich eine Schau dem 30jährigen Krieg widmen, eine weitere wird an 1848 erinnern, Nürnberg als Kulturstadt ist im Jahr 2000 das Hauptthema, 2002 steht der Beginn der Renaissance auf dem Programm. Ferner plant Großmann eine Ausstellung über Künstlerkolonien, auch die Tradition, Sammlerpersönlichkeiten vorzustellen, soll fortgeführt werden.

Das kommende Jahr wird eine Erweiterung von Großmanns Nürnberger Premiere "Hieb und Stich" bringen: 50 Jahre Leipziger Kunst, "solide aufgearbeitet". Dann folgt "Das Beste wartet im Himmel" mit GNM-Gemälden des 16. Jahrhunderts und einem üppigen Bestandskatalog. "Eßkultur", eine zusammen mit dem Victoria and Albert Museum, London und dem Metropolitan in New York organisierte Besteck-Schau, kommt 1997 auf den Tisch. Ferner wird die Abteilung "20. Jahrhundert, Teil zwei"eröffnet. Ob damit der angekratzte Ruf des GNM wieder an Glanz gewinnt?

Wut im Bauch

Großmann ist sich des Imageverlustes der letzten Jahre bewußt. Wutschnaubend hat er trotzdem auf einen "bösen" Artikel in der Süddeutschen Zeitung reagiert, der unter der Rubrik "vernachlässigtes Erbe" gegen das GNM polemisierte und - offensichtlich ohne solide Kenntnis, Großmanns traditionsreiches Haus gegen Franz Sonnenbergers großteils noch im Projektstadium befindliche städtische Museumslandschaft ausspielte. Die Vorwürfe der Autorin an die Adresse des GNM lagen allerdings bei aller Schärfe so daneben nicht. Ira Mazzoni beklagte unter anderem ebenso das fehlende Profil der neuen Ausstellungshalle wie die Unfähigkeit des GNM, aus den eigenen Schätzen Kapital zu schlagen, außerdem, daß Fremde mit den Museumsleihgaben aus Nürnberg glänzten: "Das GNM überlebt als Asservatenkammer für gewitzte Ausstellungsmacher." Selbst eingefleischte Sympathisanten des Hauses raunen hinter vorgehaltener Hand, daß an dem Ganzen etwas dran sei. Besucherschwund

Der Niedergang läßt sich auch mit nüchternen Besucherzahlen belegen: 1995 kamen 200.834 Menschen ins GNM, davon nur knapp ein Fünftel zu den Sonderausstellungen. 1994 hatte das Museum fast zehn Prozent Besucher mehr als 1995, 1993 (durch "LudwigsLust") doppelt so viel. In den letzten fünf Jahren wurde nur einmal das Ergebnis von 1995 unterschritten, sonst lag die Resonanz immer deutlich darüber. Und die Flaute hält an: "Für 1996 kann ich keine berauschenden Zahlen vorlegen", klagt der Generaldirektor. Daß der "Renner" die Prechtl-Schau (15.000 Besucher - 3000 mehr als bei Schadow 1995), war, läßt ihn immerhin über ein stärkeres Nürnberg-Engagement nachdenken.

Doch auch überregional will sich das GNM profilieren. Pressekonferenzen in Berlin und Kassel hätten ein gutes Echo gebracht, Kooperationen mit großen Museen seien geplant. "Aber wir werden nicht hektisch nach einer Identität suchen, die wir schon haben", meint Großmann stolz und baut weiter auf "Seriosität".

Thomas Kliemann

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