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Jeder achte Deutsche leidet unter einer Benetzungsstörung der Augen
Kalte Dusche gegen trockene Augen
Ursachen sind Bildschirmarbeit, schlechte Klimaanlagen und zugige Luft

Als die Augsburgerin Ingrid Rieder vor rund vier Jahren ein ständiges Brennen in ihren Augen spürte, dachte sie, eine neue Brille sei fällig. Doch die Sehhilfe linderte die Beschwerden nicht. Ein Leidensweg durch zahlreiche Augenarztpraxen begann, an dessen Ende die damals 52jährige zwar keine Heilung erfuhr, jedoch den Namen ihrer Krankheit: „Trockenes Auge“. An dieser Benetzungsstörung der Augenoberfläche leiden nach Expertenschätzung rund zehn Millionen Menschen in Deutschland.

Von vielen Augenärzten werde das Gefühl, „Sandkörner“ in den Augen zu haben, und der ständige Juckreiz nicht ernst genommen, sagt Ingrid Rieder. Sie gründete daher eine Selbsthilfegruppe, die sich einmal monatlich trifft, um Therapiemöglichkeiten und eigene Rezepte gegen das Leiden auszutauschen. Auf den ersten Hinweis zur Gründung der Gruppe in einer Krankenkassen-Zeitschrift meldeten sich mehr als 100 Männer und Frauen.

Inzwischen wird das Phänomen jedoch auch bei den Medizinern nicht mehr stiefmütterlich behandelt. Im Berufsverband der Augenärzte Deutschland bildete sich eine eigene Arbeitsgruppe „Trockenes Auge“. Ihr Vorsitzender, der Hannoveraner Mediziner Horst Brewitt, warnt davor, die Krankheit zu verharmlosen. „Die Symptome können so stark werden, daß der davon Betroffene nicht mehr arbeitsfähig ist“. Die Augen ermüden dann sehr schnell und brennen, als ob Sandkörner auf der Augenoberfläche rieben. In Einzelfällen könne es sogar zur Erblindung kommen.

Beim „Trockenen Auge“ ist meist die Tränenbildung gestört. Tränen erhalten jedoch die Funktion von Hornhaut und Bindehaut, lassen winzige Wunden in diesen Geweben heilen und wirken antibakteriell. Versiegt die wäßrige Flüssigkeit, kann die Hornhaut ihre Transparenz verlieren, was zu Sehstörungen und im Endstadium zum Verlust der Sehfähigkeit führt.

Schuld an den Augenproblemen können trockene und zugige Luft in Wohn- und Arbeitsräumen sowie Klimaanlagen sein. „Zugluft schädigt den Tränenfilm, schlechte Filter führen zu bakterieller Kontaminierung der Raumluft“, weiß der Bad Salzdetfurther Augenarzt Werner Hanne. Auch die falsche Anordnung von Leuchten am Bildschirmarbeitsplatz könne bei Hornhautschäden zu vermehrter Blendung führen. Eine Umfrage unter Patientinnen im Alter zwischen 30 und 55 Jahren ergab nach Auskunft von Augenarzt Brewitt, daß die Frauen meist am Bildschirm oder in klimatisierten Räumen arbeiteten, empfindlich auf Umweltbelastungen reagierten und sehr leicht ermüdbar seien. Zudem ständen die Patientinnen unter einem hohen Erfolgsdruck und seien ungeduldig mit sich und anderen.

Auch Nebenwirkungen bestimmter Medikamente können dem Auge zu schaffen machen (siehe Grafik). Neben Schmerzmitteln und Antihistaminika verringern auch die meisten blutdrucksenkenden Mittel, wie zum Beispiel Betablocker, die Tränenproduk tion. Personen, die Beruhigungsmittel oder Schlaftabletten einnehmen, sind ebenfalls gefährdet; des weiteren Menschen mit schwerer Akne, denen Vitamin-A-Präparate verabreicht wurden. Gurkenscheiben auflegen

Zur Therapie der Krankheit verschreiben viele Mediziner Tränenersatzmittel mit Vitamin A, sogenannte „künstliche Tränen“. Als zusätzliche Behandlungsmethoden sind nach Ansicht des österreichischen Augenexperten Gebhard Rieger Akupunktur, Augenbäder, Kompressen und ein Erforschen psychischer Ursachen empfehlenswert.

Heilbar ist die Krankheit nach Ansicht von Selbsthilfe-Expertin Rieder nicht. „Man muß lernen, damit zu leben“. Bei einigen der bis zu 20 Erkrankten, die sich in der Gruppe regelmäßig treffen, lösten die Schmerzen große seelische Probleme aus, sagt die Augsburgerin. „Eine Frau hat mich einmal vollkommen verzweifelt angerufen und gesagt: Ich kann so nicht mehr leben, ich bringe mich um“.

Wer die Selbsthilfegruppe (Tel. 08 21/40 17 53) besuche, finde oft schon Trost in der Tatsache, mit dem Leiden nicht allein zu sein, sagt die 56jährige. Sie selbst habe inzwischen eigene Rezepte entwickelt, um die Symptome zu lindern. Beispielsweise mache sie täglich Augengymnastik, dusche mit kaltem Wasser und lege bei Sonnenbädern Gurkenscheiben auf die Augen. Wenn es ganz schlimm wird, schwingt sich die 56jährige auf ihr Fahrrad und radelt so lange, bis ihr der Fahrtwind die Tränen in die Augen treibt.

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