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Nürnberger Zeitung 1996
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Die sozialen
Folgen können verheerend sein:
Wenn Eifersucht zur Krankheit wird
Ohne das
menschlich-allzumenschliche Phänomen der Eifersucht
wären wohl viele Meisterwerke der Literatur nicht
geschrieben worden. Den von der Eifersucht heimgesuchten
Menschen von heute wird die große Literatur allerdings
wenig trösten. Tröstlicher ist da schon die Tatsache,
daß eine gesunde Portion Eifersucht für eine Beziehung
durchaus nützlich sein kann. "Begründete
Eifersucht", erklärt der Philosoph und Psychologe
Ulrich Beer, "ist ein Korrektiv und, wenn man so
will, der ständige Wachhund einer Liebesbeziehung."
Sie zeigt an, ob da noch Gefühle in der Beziehung sind
oder nicht bereits Gleichgültigkeit vorherrscht. Anders
verhält es sich jedoch mit der unbegründeten
Eifersucht, die sich in den Wahn hineinsteigert.
Psychologen und Psychiater
sprechen bei der krankhaften Eifersucht vom
Othello-Syndrom, benannt nach dem tragischen
Shakespeare-Helden. Das Syndrom ist allerdings selbst
für den Fachmann recht schwer zu erkennen, können doch
die Übergänge von der normalen zur krankhaften
Eifersucht recht fließend sein. Typisch für den
krankhaft Eifersüchtigen ist jedoch das sogenannte
"Checking". Er wird derart stark von Zweifeln
an der Treue seines Partners geplagt, daß er ihn
ständig kontrollieren muß: Er öffnet Briefe,
telefoniert hinterher, wühlt in Taschen, sucht die
Kleidung nach fremden Haaren ab, setzt Privatdetektive
auf ihn an. Das Prekäre: Selbst wenn Nachrichten kommen,
daß sein Partner ihm treu ist, weicht er nicht von
seinen Zweifeln ab. Hier zeigt sich dann die krankhafte
Eifersucht als eine typische Form der Wahnvorstellung.
Interessanterweise taucht
wahnhafte Eifersucht besonders häufig bei männlichen
Alkoholikern auf - ein Phänomen, das einige Psychiater
dazu brachte, den Eifersuchtswahn fast beweisend für
Alkoholismus hinzustellen. "Doch diese früher
häufig geäußerte Ansicht", so Michael Soyka von
der Psychiatrischen Klinik der Universität München,
"kann heute nicht mehr aufrechterhalten
werden." Denn oft genug kommt es auch vor, daß
beide Krankheiten getrennt voneinander auftreten. Ob
schließlich Sigmund Freud recht hatte, der den
Eifersuchtswahn bei Männern als Ausdruck von deren
latenter Homosexualität verstand - nach dem Motto:
Männer haben nur das Eine im Kopf, nämlich zuzugucken,
wie ihre Frau von anderen Männern begehrt wird -, kann
nicht bewiesen werden. Leichter nachvollziehbar ist
allerdings die These der Tiefenpsychologen, wonach
eifersüchtige Menschen unter Selbstzweifeln leiden und
sich die Untreue ihres Partners einreden, weil sie sich
selbst vorstellen könnten, untreu zu sein. Bewiesen
werden kann diese Vermutung freilich auch nicht.
Wie alle Wahnvorstellungen
ist auch die Eifersucht nicht einfach zu therapieren.
Einige Ärzte arbeiten mit "harten"
Psychopharmaka, oft mit wenig Erfolg, dafür aber mit
vielen Nebenwirkungen. Die Psychotherapie hingegen setzt
in der Regel darauf, das Selbstwertgefühl der Patienten
zu stärken, ihnen die Angst vor dem Vergleich mit
anderen Menschen zu nehmen. Zeigt die Therapie jedoch
keinen Erfolg, so muß laut Soyka der Partner des
Eifersüchtigen aufgeklärt und über eine mögliche
Trennung gesprochen werden, "um fatale Folgen zu
vermeiden". Denn schließlich endete ja auch die
Geschichte des Namensgebers vom Othello-Syndrom damit,
daß der Mann erst seine Gattin Desdemona und dann sich
selbst umbrachte.
Jörg Zittlau
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