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Im Teufelskreis der Medikamente


Kopfschmerzen deuten oft auf Tabletten-Mißbrauch hin

Wenn von Kopfschmerzen die Rede ist, dann fällt meistens der Begriff der Migräne. Sie spielt in den Medien und in der Bevölkerung eine dominierende Rolle, über kaum eine andere Erkrankung ist in den letzten Jahren derart viel geschrieben und diskutiert worden. Dabei ist ihre tatsächliche Bedeutung im Verhältnis zu den sogenannten "Kopfschmerzen vom Spannungstyp" eher zweitrangig.

Jüngsten Erhebungen zufolge leiden etwa 29 Millionen Menschen in Deutschland gelegentlich oder chronisch unter Spannungskopfschmerzen, knapp ein Zehntel von ihnen muß sie an mehr als 180 Tagen ertragen. Auch in punkto Arbeitsausfall hält der Kopfschmerz vom Spannungstyp die Spitzenposition: jährlich 920 Arbeitsausfälle auf 1000 Arbeitnehmer, das ist mehr als das Dreifache der Quote, die bei Migräne zu beobachten ist!

Tabletten statt Therapie

Die Symptome der Spannungskopfschmerzen: ziehende oder drückende Schmerzen, die im Unterschied zur Migräne beide Seiten des Kopfes befallen - viele Patienten vergleichen ihre Beschwerden mit dem Gefühl, einen zu eng sitzenden Helm auf dem Kopf zu tragen. Die meisten Betroffenen machen für ihre Schmerzen den Streß verantwortlich, doch anstatt diesen zu reduzieren, setzen sie in der Therapie lieber auf die Produkte der Pharma-Industrie. Im letzten Jahr gingen 195 Millionen Schmerzmittelpackungen über die Ladentische der Apotheken, der überwiegende Anteil davon wurde ohne ärztliche Verschreibung von Patienten mit Spannungskopfschmerzen gekauft.

Doch wie Dr. Hartmut Göbel von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft betont, bewirkt die Selbstmedikamentation oft genau das Gegenteil von dem, was beabsichtigt war: "Bei chronischen Spannungskopfschmerzen läßt sich in nahezu 50 % der Patienten ein Medikamentenmißbrauch als ursächlicher Faktor feststellen." Dabei ist in der Regel folgende Spirale zu beobachten: Erst kommen gelegentliche Kopfschmerzen, auf die der Kranke mit hohen Dosierungen an Medikamenten reagiert. Diese Dosierungen führen dann über ihren Einfluß auf die zentralen Steuerungsvorgänge im Hirn zur Chronifizierung der Schmerzen, was schließlich vom Kranken damit beantwortet wird, den Schmerzmittelkonsum noch weiter zu erhöhen.

Auf die Dosis achten

Immer noch besteht unter Kopfschmerzpatienten die Ansicht, daß rezeptfreie Wirkstoffe wie Paracetamol und ASS (Acetylsalicylsäure) keinen Schaden anrichten könnten. Doch auch für diese beiden Wirkstoffe gibt es eine Schwellendosis, deren Überschreitung das Kopfschmerzrisiko deutlich erhöht. Sie liegt bei drei Tabletten pro Tag.

Bleibt die weit verbreitete Hoffnung, den Schmerzen mit Kombinationspräparaten aus den beiden Wirkstoffen beizukommen, nach dem Motto: doppelte Wirksamkeit, dafür aber nur die Hälfte der Nebenwirkungen, weil die beiden Stoffe ja in ihrer Dosis halbiert wurden. Eine unbegründete Hoffnung, wie Göbel betont: "Die wissenschaftliche Datenlage für die Begründung solcher Kombinationen ist außerordentlich enttäuschend. Auch die Annahme, daß Kombinationspräparate weniger Nebenwirkungen besäßen, läßt sich nicht bestätigen."

Hoffnungsträger Pfefferminze

Wer unter Spannungskopfschmerzen leidet, muß sich damit abfinden, daß bis heute kein spezielles Medikament für Spannungskopfschmerzen entwickelt wurde. Jüngere Untersuchungen der Universitätsklinik Kiel eröffnen jedoch Perspektiven für eine uralte Heilpflanze, die bereits antike Ärzte als Auflage gegen Kopfschmerzen nutzten: die Pfefferminze. Ihr Öl enthält Substanzen, die bei lokaler Anwendung auf der Haut - beispielsweise auf Stirn und Schläfen - kühlend und schmerzlindernd wirken. Außerdem hemmen sie die Wirkung der Botenstoffe Serotonin und Substanz P, die als biologische Übermittler des Kopfschmerzes gelten. In einem Experiment an 164 Patienten mit Spannungskopfschmerzen vermochte 10prozentiges Pfefferminzöl bereits nach 15 Minuten die Schmerzintensität deutlich zu verringern. Damit erzielt es ähnliche Erfolge wie Paracetamol und ASS - ohne freilich deren Nebenwirkungen und Risiken für eine Chronifizierung der Kopfschmerzen zu besitzen.

Jörg Zittlau

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