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Die Toten könnten den Lebenden weiterhelfen

Die Möglichkeiten der Transplantationsmedizin sind in den letzten Jahren stetig größer geworden. Nahezu kein Organ, so scheint es, das heute nicht austauschbar wäre: Bauchspeicheldrüse, Hornhaut des Auges, Leber, Herz oder Niere. Diese Errungenschaften sind zweifellos ein Ruhmesblatt der modernen Medizin, und sie könnten ein Grund zur Freude sein. Dem fortgeschrittenen Leistungsstand der deutschen Transplanteure, die sich im November in Erlangen zu ihrem ersten interdisziplinären Jahreskonferenz trafen, steht jedoch ein Problem entgegen: Spenderorgane, die den Weg auf den OP-Tisch gebracht werden können (Foto), sind aufgrund der mangelnde Bereitschaft, Organe zu spenden, Mangelware. "Menschen dürften nicht sterben, wenn die Transplantationsmedizin sie retten könnte", beklagte Dekan Lehnert. Möglicherweise wäre die Situation der deutschen Transplantationszentren auch besser, wenn die Kooperation der bundesdeutschen Krankenhäuser mit den Transplantationszentren reibungsloser, die Kriterien der Organverteilung klarer und die Bevölkerung informierter wäre.

Teamwork der Ärzte

Ein Herz oder eine Niere zu transplantieren, ist komplex und aufwendig. Schon vor der Operation sind umfangreiche Untersuchungen des Organempfängers nötig, muß ein klares Konzept der jeweils individuellen Behandlung erstellt werden, ist eine psychologische Vorbereitung des Patienten auf den Eingriff nötig. Virologen, Histologen, Urologen und Neurologen arbeiten hier eng zusammen. Wenn dann nach einem oft jahrelangen Warten auf ein Spenderorgan endlich operiert werden kann, beginnt für das Ärzteteam und den Patienten ein zäher Kampf gegen Organabstoßung und Infektionen, der durch moderne Technik und Immunsuppression zu wesentlich besseren Erfolgen führt als noch vor Jahren. Ohne Risiken ist die Transplantationsmedizin also nicht.

Siebzig Prozent Zustimmung

Welche Alternative aber bleibt den vielen Dialysepatienten schon, als sich dem komplizierten Eingriff zu unterziehen? Mit einer dreißigprozentigen Ablehnungsquote zur Organspende liegt die Bundesrepublik zwar hinter ihren Nachbarländern Holland und Österreich zurück. Immerhin aber stimmen siebzig Prozent der Angehörigen von "Hirntoten" einer Explantation zu. Im internationalen Vergleich sind diese nüchternen Zahlen also nicht schlecht, wenngleich längst nicht gut genug. In diesem Zusammenhang kündigte Dr. Ingeborg Hauser, Leiterin der Transplantationszentrale Erlangen, eine Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an, die mit einer Broschüre an alle Haushalte, Organspende zu einem stärkeren öffentlichen Thema machen möchte. Noch immer ist die Bevölkerung verunsichert in der Frage der "gerechten Verteilung" von Organen und der Kriterien der Todesfeststellung. Tatsächlich berührt die Jahrestagung hier einen zentralen Gegenstand des geplanten Transplantationsgesetzes, das Ärzten wie Organspendern Rechtssicherheit geben soll. Im Interesse der Kranken ist eine wirklich offene Diskussion über die Organspende zu begrüßen.

Armin Roucka

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