Zurück zum Inhalt Medizin Wenn
Patienten in Eigenregie Pillen einnehmen:
Eine Untersuchung der Münsteraner Pharmakologen Prof. Klaus Opitz und Dr. Susanne Möhlen fand heraus, daß viele Bundesbürger vom Arzt verschriebene Medikamente horten, um sie dann später in Eigenregie einzunehmen, wenn sie meinen, daß die Zeit bzw. die richtige Krankheit dafür gekommen ist. Fast ein Drittel der von uns befragten Patienten gaben zu, so Opitz, ein verschreibungspflichtiges Präparat in Eigenverantwortung eingenommen zu haben. Und von diesem Drittel konsumieren 55 Prozent ohne Bedenken und ärztlichen Rat Medikamente, die zur Abhängigkeit führen können. Andere ruinieren per exzessivem Pillenbeschuß ihr Immunsystem oder aber sie schlucken Verdauungshilfen, die das Darmmilieu zusammenbrechen lassen. Insgesamt fanden die beiden Forscher heraus, daß bei sage und schreibe 89 von 100 selbsttherapierenden Patienten mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu rechnen sei. Es scheint also eher eine Ausnahme zu sein, wenn sich ein Patient durch selbst verordnete Mittel heilt, in der Regel kann er schon froh sein, wenn er keinen weiteren Schaden nimmt. Nichtsdestoweniger darf die medikamentöse Selbsthilfe nicht im vornherein als eine Art der Eigenverstümmelung dramatisiert werden. Denn sie zeigt, daß der Patient bereit ist, ein gewisses Maß an Eigenverantwortung für sich und seine Krankheit zu übernehmen. Außerdem wären die ärztlichen Praxen und damit auch die Krankenkassen rettungslos überfordert, wenn es keine Selbstmedikation gäbe. Voraussetzung ist freilich, daß bestimmte Regeln eingehalten werden. Ein großes Problem der Selbstmedikation kommt bereits mit der Diagnose. Wenn bestimmte Störungen das erste Mal auftreten, ist in jedem Falle Vorsicht angebracht. Denn beinahe jedes Symptom kann für die unterschiedlichsten Ursachen stehen, allein ein Symptom wie Erbrechen kann durch Krankheiten ausgelöst werden, deren Palette vom Magengeschwür über Darmverschluß und Nierenversagen bis zur Vergiftung reicht. Die Selbstmedikation empfiehlt sich also nur dann, wenn die Symptome schon öfter aufgetreten sind und bereits durch einen Arzt zuverlässig diagnostiziert wurden. Einer der häufigsten Fehler, die bei der Selbstmedikation gemacht wird: Es kommen mehrere Mittel gleichzeitig zum Einsatz. Dabei sind die Wechselwirkungen von Arzneimitteln ein unkalkulierbares Risiko. So verringern beispielsweise Abführmittel die Wirkung von Herzmedikamenten, und alkoholhaltige Hustensäfte verstärken unter Umständen die Wirkung von Blutdrucksenkern. Ganz zu schweigen davon, daß eine Multi-Medikation auch aus methodischer Sicht wenig Sinn macht: Denn selbst wenn es dem Patienten danach besser gehen sollte, weiß er doch nicht, ob tatsächlich alle Mittel dafür verantwortlich sind oder nur eines, das zufälligerweise auf die Beschwerden gepaßt hat. Grundsätzlich gilt, daß bei der Selbstmedikation keine verschreibungspflichtigen Medikamente zum Einsatz kommen sollten, ihre Einnahme sollte in jedem Falle mit dem Arzt abgesprochen sein. Doch auch bei den sogenannten sanften Medikamenten aus alternativen Heilmethoden ist Vorsicht angebracht, denn auch sie können zum Teil erhebliche Nebenwirkungen haben. So kann es bei pflanzlichen Beruhigungsmitteln zu unerwünschter Müdigkeit und Hepatitis sowie bei Kräutertees zu Schwindel und Kopfweh kommen. Ginseng führt in seinem Nebenwirkungen-Katalog Beschwerden wie Durchfall, Schlaflosigkeit und Bluthochdruck, und einige Mittel aus der Heilslehre des Ayurveda können sogar zu Schwermetallvergiftungen und Hepatitis führen. Für den Verbraucher gilt daher, daß auch alternative Heilmittel nicht nach dem Motto Viel hilft viel überdosiert werden dürfen und die Selbstmedikation sofort abgebrochen werden muß, wenn sich Verschlimmerungen des gesundheitlichen Zustandes bemerkbar machen. Darüber hinaus sollte man vorzugsweise nur zu den alternativen Medikamenten greifen, die in ihrer Wirkung wenigstens durch ein paar wissenschaftliche Untersuchungen abgesichert sind. Näheres dazu erfährt man beim Apotheker. Jörg Zittlau Zurück zum Inhalt Medizine-mail an die Redaktion |