Zurück zum Inhalt Medizin

Medikamente und Ernährung – eine heikle Sache
Wenn der Salzhering
die Tablette beißt
Wechselwirkungen von Nahrungsmitteln und Arzneien
werden allzu oft unterschätzt – Untersuchungen laufen

Daß man Medikamente nicht mit einem Schluck Bier oder Wein herunterspülen sollte, weiß wohl jeder. Weniger bekannt ist jedoch, daß auch eigentlich harmlose Nahrungsmittel wie Rosenkohl, Milch oder Hering die Wirkung von bestimmten Medikamenten negativ beeinflussen können. Dieser Aspekt wird nicht nur von den Patienten, sondern auch von den meisten Ärzten nicht gesehen. Nur in wenigen Ausnahmefällen darf der Patient damit rechnen, in der Praxis zusammen mit dem Rezept auch Hinweise zur Ernährung mit auf den Weg zu bekommen, die bei der Einnahme des verschriebenen Medikaments zu beachten sind.

Dabei stellen Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Nahrungsmitteln beileibe keine Ausnahme. Laut Bundesverband der deutschen Apothekerverbände ist von 315 Arzneistoffen bekannt, daß sie von Lebensmitteln beeinflußt werden. Diese Substanzen befinden sich in etwa 5000 für den deutschen Markt zugelassenen Medikamenten, und dies bedeutet, daß bei 12,5 % aller hierzulande erhältlichen Medikamente das Risiko von Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln besteht.

Zu den Medikamenten mit starken Wechselwirkungen zu Nahrungsmitteln gehören Antibiotika aus der Gruppe der Tetracycline. Sie gehen mit dem Kalzium aus Milchprodukten Komplexe ein, die unser Magen-Darm-Kanal nicht ins Blut überführen kann. Während der Behandlung sollte daher der Konsum an Joghurt, Milch, Quark und Käse deutlich eingeschränkt werden. Die Einnahme des Medikaments erfolgt am besten mit Wasser oder Fruchtsaft. Nach dem Ende der Behandlung sollte man allerdings für einige Zeit täglich zwei Joghurtbecher mit lebenden Bakterienkulturen essen, um die durch Antibiotika angegriffene Darmflora wieder in Schuß zu bringen.

Depressionslindernde Mittel vom Typ der sogenannten MAO-Hemmer vertragen sich nicht mit eiweißreichen Nahrungsmitteln, die eine längere Lagerungszeit hinter sich haben, wie etwa Käse, Dauerwurst, Thunfischkonserven und Salzheringe. Denn hier steigt während der Lagerung der Anteil des Eiweißstoffwechselproduktes Tyramin, das von unserem Körper unter dem Einfluß von MAO-Hemmern nicht mehr ausreichend abgebaut werden kann. Die Folge: der Tyraminspiegel steigt und da dieser Stoff die Spannung der Blutgefäße erhöht, steigt auch der Blutdruck. Mittlerweile gibt es jedoch zahlreiche Alternativen in der Therapie von Depressionen, so daß der Patient durchaus auf eine Behandlung ohne die problematischen MAO-Hemmer dringen kann.

Wer regelmäßig Blutgerinnungshemmer, sogenannte Antikoagulantien, einnimmt, sollte weniger Lebensmittel mit hohem Vitamin-K-Gehalt auf seinem Speisezettel stehen haben. Der Grund: Das Vitamin verbessert die Blutgerinnung und arbeitet dadurch dem Effekt der Medikamente genau entgegen. Zu den Nahrungsmitteln mit hohem Vitamin-K-Gehalt zählen Blumenkohl, Rosenkohl, Brokkoli, Hülsenfrüchte, Sauerkraut und Leber.

Bei Frauen mit Blutarmut oder während der Schwangerschaft werden traditionell gerne Eisenpräparate verschrieben. Doch deren Einnahme hat, wie der Düsseldorfer Immunologe Dr. Arnold Hilgers betont, nur wenig Sinn, wenn nicht gleichzeitig bestimmte Ernährungsrichtlinien befolgt werden: „Eisenpräparate sollten nicht zusammen mit Kaffee und Tee eingenommen werden, da so die Resorption behindert ist.“ Auch Fisch- und Fleischeiweiß verhindern das Einschleusen des wichtigen Minerals, Fruchtsäfte mit hohem Vitamin-C-Gehalt fördern hingegen die Eisenresorption.

Überhaupt scheinen bestimmte Fruchtsäfte die Aufnahme von Arzneistoffen eher zu begünstigen als einzuschränken. Die Pharmakologin Barbara Ameer von der Amerikanischen Gesellschaft für Chemie fand allein 13 unterschiedliche Medikamentengruppen, die in ihrer Wirkung verstärkt werden, wenn man sie zusammen mit einem Glas Grapefruitsaft herunterschluckt, unter ihnen nifedipinhaltige Bluthochdruckmittel, Antihistaminika gegen Allergien, Schlafmittel und Immunsupressiva gegen Organabstoßungen. Verantwortlich für diesen Effekt sind wahrscheinlich neben dem Vitamin C die zahlreichen Flavonoide der Grapefruit. Der Effekt bedeutet natürlich, daß die Einnahme der betreffenden Medikamente zusammen mit Grapefruit-Saft zu Überdosierungen führen kann. Andererseits bietet er jedoch auch die Chance, die bislang üblichen Dosierungen herunterschrauben zu können. Entsprechende Richtlinien werden zur Zeit in den USA erarbeitet.

Jörg Zittlau

Zurück zum Inhalt Medizin

e-mail an die Redaktion