Trotz erstochener Fans:
Dänemark jubelt
«So wendet man Trauer in
Freude» überschrieb die Kopenhagener Zeitung
«Berlingske Tidende» am Montag ihren Bericht über den
souveränen Sieg der dänischen Handballspielerinnen
(Foto: dpa) im Berliner WM-Finale gegen Norwegen (33:20).
Weniger als 24 Stunden, nachdem ein betrunkener Berliner
zwei dänische Fans beim Halbfinale gegen Rußland in der
Max-Schmeling- Halle erstochen hatte, holten die
Däninnen die erste Weltmeisterschaft für ihr Land und
ernteten für ihr Auftreten einhellige Begeisterung in
der Halle und in der Heimat. Das Team hatte Handball wie
von einem anderen Stern zelebriert und seine
Titelsammlung nach dem Olympiasieg in Atlanta sowie zwei
EM-Titeln komplettiert.
«Unsere Mädels siegten über das häßliche
Verbrechen», meinte «Ekstra Bladet» und lobte
ausdrücklich den sonst im eigenen Land nicht sonderlich
beliebten Nationaltrainer Ulrik Wilbek. Der habe den
6 500 Zuschauern in der Halle «so schön und so
einfach» erklärt, wie der glanzvoll herausgespielte
Finalsieg zustande gekommen sei. «Wir haben den beiden
Fans, die heute nicht dabei sein konnten, versprochen,
daß wir für sie das Spiel unseres Lebens spielen. Das
haben wir getan», rief Wilbek durchs Mikrofon und machte
damit bei den vor dem Finale bedrückt wirkenden
Spielerinnen und beim Publikum den Weg frei für
ausgelassene Siegesfreude, als sei nichts geschehen.
Wilbek bescheinigte seiner Mannschaft unter den
traurigen Begleitumständen «Professionalität».
Geheimnis dieser Leistungsstärke sei, daß er seit 1991
mit diesem eingespielten Team arbeitet, das in fünf
Jahren sechs internationale Medaillen gewann. Den
«Betriebsunfall» mit der Vorrunden-Niederlage gegen
Mazedonien (23:25) und dem Remis gegen Rußland (22:22)
begründete er damit, daß in dieser Phase alle
Spielerinnen zum Einsatz kommen sollten. «Wir haben
daraus für das weitere WM-Turnier gelernt und wollen
auch in Zukunft unterhaltsamen Handball bieten», betonte
er und hofft, daß seine Mannschaft auch weiterhin
zusammenbleibt.
Die tragischen Ereignisse vom Halbfinale standen auch
weiterhin im Blickpunkt. Die «Berlingske Tidende»
dokumentierte mit einem Foto vom Tatort, auf welch
makabre Weise hier die rohe Gewalt eines Betrunkenen und
die Vermarktung der ungeheuer populären dänischen
Handball-Frauen im Fernsehen aufeinanderprallten. Zu
sehen war, wie die beiden TV-Moderatoren des Senders
«TV3» ihre Sendung aus der Halle fortsetzten, während
direkt hinter ihnen der nach zwei Stichen in den Hals
sterbend am Boden liegende Klaus Mikael Witthöft Nielsen
von einem Samariter und Helfern versorgt wurde. Die
TV-Zuschauer wurden erst Stunden später informiert. Um
nur ja keine Zuschauer zu verlieren, zeigte der Sender
«DR1» sogar noch eine Aufzeichnung des Halbfinales,
ohne den gewaltsamen Tod der beiden Zuschauer zu
erwähnen.
Entrüstet wiesen die Verantwortlichen am Montag alle
Vorwürfe von sich, sie hätten unter dem Druck von
Sponsorenverträgen, Einschaltquoten und Werbeminuten um
jeden Preis übertragen wollen. Frauen-Handball aber ist
in Dänemark, was Sportvermarktung angeht, derzeit
tatsächlich unschlagbar. Die so überaus erfolgreichen,
stets sympathisch wirkenden und nicht zuletzt auch
hübschen Handballerinnen Anne Dorthe Tanderup, Camilla
Andersen und Co lockten beim Halbfinale und Finale in
Berlin weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung daheim
vor den Fernsehschirm. Die jedes Jahr im Dezember
stattfindenden EM- und WM-Endrunden mit «Pigerne»,
«den Mädels», wie man die unbestrittenen Lieblinge der
Nation in der Regel nennt, gehören inzwischen zu den
unverzichtbaren vorweihnachtlichen Freuden für fast alle
Dänen.
Diese Freude wollten sich offenbar auch die über die
Ostsee nach Berlin gereisten Fans von dem Messerstecher
um keinen Preis trüben lassen. Nach dem Triumph hatte
sich der dänische Ministerpräsident Poul Nyrup
Rasmussen in den Dänen-Fanblock begeben, um die Freude
mit seinen Landsleuten zu teilen. Bei der
Fernsehübertragung des Endspiels wurden aus der Halle
bemalte Däninnen gezeigt, die bis auf ihre Dessous alle
Kleidung abgelegt hatten.
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