Euro-Serie 1

Erster Teil:
Wie geht es mit dem Euro nach dem Amsterdamer Gipfel weiter?
Die Zerreißprobe steht erst noch bevor
Durchbruch beim Stabilitätspakt war nur ein Schritt – Tauziehen um den Beitritt mit den Nachbarn - VON KLAUS WONNEBERGER

NÜRNBERG – Das Amsterdamer Treffen der Staats- und Regierungschefs wurde als der Gipfel charakterisiert, der den Durchbruch sauf dem Weg zum Euro gebracht hat. Nicht immer sind solche Prädikate bei rückblickender Betrachtung der Historie allerdings haltbar. Und auch beim Euro wird sich herausstellen, daß noch sehr viele „Durchbrüche“ nötig sein werden, damit wir in nicht einmal mehr 80 Wochen tatsächlich die erste Monatsmiete in Euro überweisen.

Unbestreitbar ist Amsterdam der Ort, an dem der Stabilitätspakt wohl endgültig festgezurrt wurde. Von der praktischen Bedeutung für die vereinbarte Währungsunion her gilt er Kritikern aber eher als nachrangig, ist es doch mehr als fraglich, ob dieser Pakt jemals zur Anwendung kommt. Denn seine Sanktionen gelten als politisch kaum durchsetzbar. Zudem ist er in sich unlogisch.

Ausgerechnet das Land soll in letzter Konsequenz eine Geldstrafe zahlen, das gerade eben zu wenig Geld hat, um seine Ausgaben zu decken. Wie wenig ernsthaft man selbst in Brüssel damit rechnet, daß die Sanktionen des Paktes jemals greifen werden, ist allein schon aus dem Umstand abzulesen, daß bis heute niemand festgelegt hat, wofür der aus den Geldstrafen gespeiste Milliardensegen überhaupt verwendet werden soll.

Härter als die Mark?

Aber immerhin: Daß dieser Pakt Waigelscher Prägung abgesegnet wurde, kann als Indiz dafür gewertet werden, daß die Teilnehmerstaaten es ernst meinen mit dem in Maastricht vereinbarten Stabilitätsgrundsatz, nach dem die europäische Zentralbank die Ersparnisse der Menschen im Wert bewahren soll, wie das die Bundesbank fast 50 Jahre in Deutschland mit wechselndem Erfolg versucht hat. Immerhin ist dieser Vertrag von Maastricht so ausgelegt, daß der Euro nach Papierform härter sein müßte als die D-Mark.

Mit der Einigung von Amsterdam ist der Weg zum Euro aber noch lange nicht frei. Die eigentliche Zerreißprobe steht erst noch bevor. In knapp einem Jahr werden die Staats- und Regierungschefs auf der Grundlage von Empfehlungen und Berichten der EU-Kommission und des EWI sowie anhand der im Vertrag von Maastricht festgelegten Kriterien die Entscheidung zu treffen haben, war an der automatisch am 1. Januar 1999 beginnenden Währungsunion teilnimmt und wer nicht. Weil diese Entscheidung mit qualifizierter Stimmenmehrheit fällt, könnte einem Land wie Deutschland rein theoretisch sogar gegen dessen Willen von einer breiten Allianz der Südländer und der großen Nachbarstaaten der Euro verordnet werden.

Politisch ist dies sicherlich undenkbar. Weitaus praxisnäher aber dürfte sein, daß bis zur Festlegung der Teilnehmer Ende April/Anfang Mai 1998 ein erbittertes Tauziehen darum einsetzt, welches Land denn nun die Teilnahmebedingungen erfüllt. Der gar nicht einmal solange zurückliegende Disput um die Euro-Tauglichkeit Italiens, der Deutschland wegen der ablehnenden Haltung Waigels den Vorwurf des „Währungsrassismus“ eingebracht hat, läßt erahnen, wieviel Porzellan beim Ringen um die Teilnahme noch zerschlagen werden kann.

Tatsächlich gibt der Vertrag von Maastricht – anders als dies Finanzminister Waigel der deutschen Öffentlichkeit immer wieder Glauben machen will – für die Prüfung der Euro-Tauglichkeit keine starren Höchstgrenzen wirtschaftlicher Leistungsmerkmale vor, sondern läßt erhebliche Spielräume für politische Entscheidungen. Auch für Deutschland, so stellte Ifo-Konjunkturforscher Karl Heinrich Oppenländer fest, werden erst diese Spielräume überhaupt eine Teilnahme ermöglichen.

Die vermutlich erbittert geführten Debatten, wie weit die Interprationsmöglichkeiten ausgereizt werden können, werden aber nicht nur die Beziehungen Deutschlands zu manchen Nachbarländern auf eine harte Belastungsprobe stellen. Auch innenpolitisch wird der Euro zunehmend für Sprengkraft sorgen, je näher es auf die Bundestagswahl 1998 zugeht.

Die Front der Euro-Befürworter und Euro-Skeptiker verläuft dabei seltsamerweise quer durch die Parteien und Verbände, wie wir in einem eigenen Serien-Beitrag beleuchten wollen. Die geteilten Lager reichen von den Gewerkschaften bis hin zu Branchenverbänden. Vor allem Politiker, wie Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) oder sein bayerischer Kollege Edmund Stoiber (CSU), nehmen bereitwillig die Ängste der Menschen vor dem Euro auf und versuchen daraus auch in Gegnerschaft zur eigenen Partei oder eigenen Parteikollegen politisch Kapital zu schlagen.

Und die Ängste der Deutschen vor dem Euro sind tatsächlich noch groß. Jüngsten Umfragen zufolge plagen noch immer zwei Drittel der Deutschen Sorgen, mit dem Euro könnte ihr Erspartes an Wert verlieren. „Für die meisten Bürger ist es so, als ob sie eine Fremdspreche erlernen müßten, ihnen dafür aber nicht einmal das notwendige Grammatik-Gerüst zur Verfügung gestellt wird“, schimpft Rainer Metz von der Verbraucherzentrale in Düsseldorf auf die mangelhafte Informationspolitik der Bundesregierung in Sachen Euro. Je mehr die Menschen über die Währungsunion wissen, so ergaben Studien der EU-Kommission, desto positiver stehen sie dem Euro gegenüber.

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