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Teil zehn Vergleiche mit 1923 oder 1948 sind nicht haltbar Falsche Angst vor Währungs-Reform Bei der Inflation und bei der D-Mark-Einführung wurden Werte vernichtet, die 1999 erhalten bleiben - VON FELIX HARTLIEB NÜRNBERG Die Deutschen mögen in ihrer Mehrheit den Euro nicht. Nun gibt es in der Tat Argumente, die derlei Skepsis begründen könnten. Etwa: Sollte eine gemeinsame Währung der Europäer nicht besser am Ende einer Entwicklung zu gemeinsamer Wirtschafts-, Finanz-, Sozialpolitik stehen? Oder: Wer garantiert uns, daß die europäische Notenbank tatsächlich völlig unabhängig von den nationalen Regierungen die Stabilität des Euro hüten kann? Zweimal erlebt Angst aber ist ein schlechter Ratgeber. Sie entbehrt der Begründung, bleibt vages Gefühl vor etwas bedrohlich Erscheinendem, nicht Faßbarem. Solche Angst spricht aus dem Einwand gegen den Euro, schließlich hätten die Deutschen in diesem Jahrhundert schon zweimal den Wert ihres Geldes verfallen sehen 1923 mit der Inflation und 1948 mit der Währungsreform. Beide Ereignisse sind aber mit der Währungsunion nicht vergleichbar. 1923 war in der Tat das Jahr, in dem
die schleichende Entwertung des deutschen Geldes in den
Galopp fiel. Mitte Januar mußte man für einen Dollar 10 Man muß schon so um 1914 herum geboren worden sein, um noch persönliche Erinnerungen daran zu haben, wie das war, als ein Laib Brot Milliarden kostete. Die Währungsreform dagegen steckt noch vielen im Langzeitgedächtnis. Am 19. Juni 1948, einem Samstag, war sie über den Rundfunk und in allen Zeitungen angekündigt worden, am Sonntag bekam jeder dort, wo er sonst die Lebensmittelkarten abholte, gegen 60 wertlose Reichsmark seine Kopfquote von 40 nagelneuen D-Mark (die restlichen 20 Mark gab's erst im August). Am Montag schließlich sahen die Menschen in den Schaufenstern urplötzlich all die Waren, nach denen sie seit Kriegsende vergeblich gefragt hatten. Sechzig alte gegen sechzig neue Mark, und das alte Münzgeld konnte ebenfalls weiterverwendet werden, wenn auch nur zu einem Zehntel seines Nennwertes aus der Mark war ein Zehnerl geworden. Was die Leute sonst noch an Sparkonten hatten, stand ihnen erst nach Monaten in drastischer Verschlankung wieder zur Verfügung. Da waren aus 100 Reichs- 6,50 Deutsche Mark geworden. Inflation und Währungsreform hatten vergleichbare Anlässe. In beiden Fällen waren verlorene Weltkriege zu bezahlen, die beide schier halsbrecherisch auf Pump finanziert worden waren. Natürlich in der Hoffnung, nach siegreichem Ende die unterworfenen Feinde zahlen zu lassen. Inflation und Währungsreform hatten auch vergleichbare Auswirkungen. Beide Male ging's ans Geld, nicht an die Sachwerte, was natürlich die kleinen Leute besonders traf. Wer 1948 Waren gehortet hatte, wer Aktien besaß, wer über Produktionsmittel verfügte, für den war jener eine Tag im Juni, da jeder Deutsche 40 DM hatte, nur eine Episode. Und weil diese Währungsreform ein Werk der Alliierten war, blieb jede sozialpolitische Flankierung des Geldschnitts aus. Das Lastenausgleichsgesetz kam viel zu spät; und viel zu dürftig war es auch. Inflation und Währungsreform unterschieden sich allerdings durch die politische Szenerie, in der sie stattfanden. Im ersten Fall suchte sie die 1923 ohnehin krisengeschüttelte, von vielen Deutschen abgelehnte Weimarer Republik heim. Im zweiten schuf sie in den drei Westzonen die Voraussetzungen für einen gemeinsamen westeuropäischen Wiederaufbau das Stichwort heißt Marshallplan und für den Eintritt in die Gemeinschaft westlicher Demokratien Stichwort: kalter Krieg. Andere Ursachen, andere Wirkung Inflation und Währungsreform: Was beide verusachten und was beide bewirkten, auch dieser Satz sollte feststehen, hat mit dem Euro wirklich nichts zu tun. Bei der Währungsreform wurden Werte vernichtet. Bei der Währungsumstellung auf Euro bleiben die Werte erhalten. |
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