Euro-Serie 11

Teil elf
Umstellung auf die neue Währung wird Zug um Zug vollzogen
Als Bargeld gibt's den Euro erst später
D-Mark bleibt noch bis 2002 Zahlungsmittel – Gerade die Finanzämter betätigen sich als Bremser - VON KLAUS WONNEBERGER

NÜRNBERG – Es wird ein völlig unspektakulärer Tag werden. Jener 1. Januar 1999, den manche fürchten, den viele mit Argwohn erwarten, der für die meisten Europäer auf jeden Fall aber der Beginn eines neuen Zeitalters sein wird. An diesem denkwürdigen Tag startet die Europäische Währungsunion. Kalt wird es sein, einigen wird, wie in jedem Jahr nach der durchzechten Silvesternacht, der Kopf brummen. Der Zigarettenautomat um die Ecke wird weiter Markstücke schlucken, der Busfahrer das Wechselgeld unverändert in Zehnpfennigstücken herausgeben, und das Bier beim Wirt gegenüber wird gleichfalls in der guten alten Mark bezahlt. Wo, bitte schön, bleibt der Euro? Der läßt dann noch genau drei Jahre auf sich warten. Denn erst ab dem 1. Januar 2002 werden Münzen und D-Mark-Noten als Zahlungsmittel in einer Übergangsfrist von sechs Monaten nach und nach von Centstücken und Euro-Banknoten abgelöst. In diesem halben Jahr existieren Mark und Euro im Geldbeutel und auf den Preisschildern in den Geschäften gleichberechtigt nebeneinander.

Bis dahin werden wir alle wie gewohnt unser Geld in Lira, Franc oder Schilling umwechseln müssen, wenn wir in den Urlaub fahren. Aber – und das ist der erste große Unterschied – vom 1. Januar 1999 an wird der Wechselkurs zwischen den Euro-Ländern unverändert bleiben, festgezurrt durch das unlösbare Band der im Vertrag von Maastricht festgeschriebenen Währungsunion. Zu welchem Kurs das jeweils sein wird, das wissen die Staats- und Regierungschefs selbst noch nicht, oder es wird noch nicht bekanntgegeben, um Spekulationen gegen einzelne Währungen vorzubeugen.

In Sichtweite

Sicher ist: Am 1. Januar 1999 übernimmt die in Frankfurt in Sichtweite zur Deutschen Bundesbank thronende Europäische Zentralbank (EZB) alle Aufgaben, die bis dahin für Deutschland Notenbankchef Hans Tietmeyer und seine Kollegen im Zentralbankrat zu bewältigen hatten. Die EZB entscheidet dann über die Zinsen in den Teilnehmerstaaten und steuert auch die Geldversorgung. Die Bundesbank wird über Nacht zu einer Unterabteilung der EZB, quasi zu einer Filiale. Allerdings sitzt Tietmeyer mit am Tisch, wenn über die Geldpolitik in Euro-Europa entschieden wird.

Im Laufe des Jahres 1999 werden wir dann ganz allmählich immer mehr mit dem Euro konfrontiert werden, auch wenn es ihn erst drei Jahre später in Form von Bargeld geben wird. Noch im Startjahr 1999 wird es erste Staatsanleihen in Euro geben, die Aktien an den Börsen werden auf Euro umgestellt. Wer in einem multinationalen Unternehmen wie Unilever oder Siemens arbeitet oder in einem aktiven, aufgeschlossenen Mittelstandsbetrieb beschäftigt ist, der kann unter Umständen schon sein Januargehalt in Euro überwiesen bekommen. Die Banken und Sparkassen rechnen dann die Euro-Zahlung automatisch in D-Mark um. Die ersten Versicherungs- oder Darlehensverträge werden in Euro ausgestellt, und selbst das eine oder andere Einzelhandelsgeschäft wird neben dem DM-Preis auch den Euro-Preis als Service für die Kunden ausweisen.

Mindestens ein halbes Jahr vor und nach der Umstellung auf den Euro sollen sämtliche Preise von der Tankstellenrechnung bis zur Stromabrechnung in alter und neuer Währung ausgegeben werden, fordert die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände. Die doppelte Auszeichnung soll die Gewöhnung an den Euro erleichtern und heimliche Preiserhöhungen im Zuge der Umstellung erschweren. Am langsamsten wird wieder einmal Väterchen Staat arbeiten. Frühestens zum 1. Januar 2002, wenn auch das Euro-Bargeld eingeführt wird, will die öffentliche Verwaltung auf den Euro umstellen. Statt mit gutem Beispiel voranzugehen, wird der Staat Unternehmen und Privatleuten bis zuletzt Knüppel zwischen die Beine werfen, indem beispielsweise die Finanzämter Steuererklärungen in D-Mark verlangen, während die Unternehmensbilanzen oder die Gehaltsüberweisungen längst in Euro erstellt und abgewickelt werden. Zugegebenermaßen ist der Verwaltungsaufwand enorm. Nach Schätzungen des Bundesjustizministeriums müssen für den Euro allein 4000 Rechtsvorschriften und 300 000 Satzungen geändert werden. Die Normalverbraucher haben es da besser. Für sie gilt, daß trotz Umstellung auf Euro nahezu alle Verträge unverändert weiterlaufen können.

Apropos Umstellung: Noch immer ist der Irrtum weit verbreitet, bei der Einführung des Euro handelt es sich um eine Währungsreform wie 1948, die – wir haben es in unserem letzten Serienbeitrag in Erinnerung gerufen – mit einer echten Wertevernichtung einhergeht. Diese Sorge ist völlig unbegründet. Die Euro-Einführung ist eine rein technische Umstellung, bei der sich die Zahlen und der Name ändern, nicht aber der Wert. Ganz grob gerechnet wird die Umstellung von D-Mark auf Euro etwa 2:1 vorgenommen. Wer also vorher 800 Mark Miete bezahlt hat, wird dann ungefähr 400 Euro Miete bezahlen. Wer vorher 20 000 Mark Schulden hatte, wird nach der Umstellung etwa 10 000 Euro Schulden haben. Er wird aber auch nur noch statt 3600 Mark Gehalt rund 1800 Euro von seinem Arbeitgeber überwiesen bekommen, und statt 50 000 Mark Versicherungsleistung zahlt die Lebensversicherung dann etwa 25 000 Euro aus.

Abfall, was sonst

Und was wird aus den guten, alten D-Mark-Noten nach dem 30. Juni 2002, wenn die halbjährliche Umstellungsfrist abgelaufen ist? Abfall, was sonst. Schon heute landen jährlich verbrauchte Banknoten im Wert von rund 50 Milliarden Mark in millimetergroße Schnipsel zerschnitten und zu Briketts gepreßt im Müllcontainer. Das wird vermutlich auch Mitte des Jahres 2002 nicht anders sein. Euro-Gegner freilich plädieren dafür, die knapp 2400 Tonnen Papiergeld, die bei uns im Umlauf sind, in Bergwerksstollen einzulagern. Schließlich wisse man ja nie, ob man die D-Mark nicht doch irgendwann einmal wieder brauchen kann.

Allen Unkenrufen zum Trotz steht aber schon heute fest: Ab 1. Juli 2002 ist der Euro alleingültiges Zahlungsmittel. D-Mark-Noten und -Münzen können dann nur noch bei den Banken zurückgegeben werden. Kaufen kann man damit dann nichts mehr. (Nächster Teil: Die Folgen für den Handel)

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