Euro-Serie 3

Teil drei:
Kritiker stellen den geplanten Starttermin 1. Januar 1999 in Frage
Währungsunion verschieben – eine Alternative?
Hohe rechtliche Hürden – Selbst CSU-Vize Friedrich warnt vor Folgen – Nachteile für Wirtschaft - VON KLAUS WONNEBERGER

NÜRNBERG – Noch 77 Wochen bis zum Start der Europäischen Währungsunion – doch die Mehrheit der Deutschen kann sich mit dem Euro noch immer nicht anfreunden. Für eine Reihe von EU-Ländern scheinen die nominalen Eingangshürden zu hoch zu sein. Und mit jedem neuen Milliarden-Loch in Waigels Bundeshaushalt wächst die Wahrscheinlichkeit, daß sich selbst Deutschland nur bei großzügiger Auslegung der sogenannten Konvergenzkriterien für den Euro qualifizieren kann. Wäre es da nicht sinnvoll, das ganze Projekt einfach zu verschieben?

Törichtes Geschwätz

Für Bundeskanzler Helmut Kohl sind entsprechende Forderungen törichtes Geschwätz: „Die Bundesrepublik wird nie eine Verschiebung hinnehmen – auf gar keinen Fall“, hat er eine Änderung des Zeitplanes kategorisch ausgeschlossen. Doch die Stimmen mehren sich, die eine solche Verschiebung fordern. Erst in der vergangenen Woche hat der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Herbert Hax, erklärt: „Es ist besser, den Zeitplan zu ändern, als Kriterien aufzuweichen.“

Eine echte Alternative? Andere Experten zweifeln daran. Schon die rechtlichen Hürden wären sehr hoch. Der Artikel 109j Absatz 4 des völkerrechtlich verbindlichen Vertrages von Maastricht legt für den Start der Währungsunion nämlich unumstößlich den 1. Januar 1999 fest. Wer an diesem Termin rütteln will, der müßte erst den Vertrag ändern. Dies aber geht nur mit einstimmigem Beschluß aller europäischen Staats- und Regierungschefs und nach Ratifizierung in allen nationalen Parlamenten der EU.

Selbst der stellvertretende Parteivorsitzende der CSU, Ingo Friedrich, warnt seinen Parteikollegen und schärfsten Euro-Kritiker Edmund Stoiber eindringlich davor, mit einer Verschiebe-Diskussion ein solches Verfahren in Gang zu setzen. Wer den Euro-Start hinausschieben will, der „gefährdet das gesamte Projekt“, sagt Friedrich. Nicht nur er sieht bei einer Nachverhandlung des Vertrages Sonderwünschen der EU-Länder Tür und Tor geöffnet.

Unter Aufwertungsdruck

Vor allem werden mit einer Verschiebung die gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme Deutschlands nicht gelöst. Im Gegenteil: Allein schon die Diskussion darüber würde die internationalen Spekulanten veranlassen, ihre Milliarden in die vermeintlich stabile Ankerwährung D-Mark zu lenken. Die zwangsläufige Aufwertung der Mark – und sei es auch nur gegenüber dem Dollar – könnte die Wettbewerbssituation der deutschen Exportfirmen empfindlich schwächen.

Der Chefvolkswirt der Bayerischen Vereinsbank, Martin Hüfner, hat die Folgen einer Verschiebung des Euro durchgerechnet. Nach seiner Überzeugung entstünden in den Unternehmen, bei denen die Euro-Vorbereitungen bereits auf Hochtouren laufen, „grandiose Investitionsruinen“, das Vertrauen in die Kalkulierbarkeit der Politik wäre erschüttert und notwendige Investitionen würden aufgeschoben. Kurzum: Hüfner erwartet, daß der deutschen Volkswirtschaft eine Euro-Verschiebung 0,5 Prozent Wachstum oder 15 Milliarden Mark und „über 100 000 Arbeitsplätze“ kosten würde.

Unkalkulierbar

Solche Modellrechnungen beruhen auf Spekulationen, denn insbesondere die Reaktion der Finanzmärkte ist unkalkulierbar. Weitaus berechenbarer erscheinen aber die politischen Konsequenzen, vor allem wenn sie von deutscher Seite veranlaßt würde. Altbundeskanzler Helmut Schmidt – einer der Väter des Europäischen Währungssystems – sieht Deutschland „in einer gefährlichen Isolation“, wenn die Währungsunion „an deutscher Rechthaberei“ scheitern würde. Die Integration in Europa geriete „in die schwerste Krise der Nachkriegszeit“.

Vielleicht erledigt sich ja aber das Problem ganz ohne politische Querelen. Über die Teilnehmer der Währungsunion wird im Mai 1998 entschieden. Sollten bis dahin die EU-Länder ihre wirtschaftlichen und fiskalischen Probleme nicht in den Griff bekommen haben, könnte tatsächlich der Fall eintreten, daß gar nicht genug geeignete Länder für eine Währungsunion zustande kommen. Für 1996 jedenfalls hat das Europäische Währungsinstitut nur Luxemburg das Prädikat „Euro-tauglich“ verliehen.

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