Euro-Serie 4

Teil vier:
Optimisten hoffen, daß die Währung die Partner zusammenschweißt
Der Euro als Motor der politischen Union?
Skeptiker befürchten: Auch künftig dominieren nationale Vorbehalte gegenüber den EU-Interessen - VON JUTTA TRIEBSWETTER

NÜRNBERG – „Ein Europa, das sich in die Europäische Währungsunion (EWU) wagt, kann sich nicht um die Gestaltung der politischen Union herumdrücken. Der Maastricht-Vertrag ist das Versprechen, daß aus dem neuen gemeinsamen Geld Besseres für die Zukunft erwächst“, gab sich Bundesbank-Chefvolkswirt Otmar Issing Anfang Juli überzeugt. Seinen Optimismus hat er also auch nach dem Gipfel von Amsterdam nicht verloren, der eher die ernüchternde Erkenntnis brachte, daß nationale Interessen und Egoismen der EU-Mitglieder die schnelle politische Integration Europas weiterhin behindern.

Der Euro als Motor für die politische Zusammenarbeit? Kann die gemeinsame Währung wenigstens dazu beitragen, in einigen Bereichen Harmonie durch abgestimmte Strategien zu erreichen? Euro-Kritiker bezweifeln das; sie argumentieren, daß für die gemeinsame Währung erst die politische Union hätte erreicht werden müssen, um Stabilität auf Dauer und Gleichklang der Handelnden zu garantieren. Aber gerade in Amsterdam habe sich gezeigt, daß auf vielen Feldern nationale Vorbehalte gegen Souveränitätsverluste bestehen. Auch alle Voraussetzungen, auf die sich gemeinhin Währungsstabilität stützt, blieben in der Verantwortung der künftigen EWU-Teilnehmerstaaten: die Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik.

Vehement gewehrt

Tatsächlich wehrt sich beispielsweise Finanzminister Theo Waigel vehement gegen die Harmonisierung der Steuern in Europa. Abgeschafft wissen will er nur Steuerparadiese wie Luxemburg, die Kapitaleigner zur Flucht einladen und dadurch dem deutschen Fiskus Milliardenbeträge vorenthalten. Auch die Vorstellungen der neuen französischen Regierung, die den Bonner Ansichten widersprechen, lassen tatkräftige Zusammenarbeit im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit in Europa als Illusion erscheinen: Setzen die Franzosen auf Beschäftigungsprogramme und mehr öffentliche Investitionen, um Arbeitsplätze durch Konjunkturbelebung zu schaffen und damit auch die Steuern wieder sprudeln zu lassen, verfolgt Waigel konsequent seine Sparpolitik. So ziert den Vertrag von Amsterdam ein Beschäftigungskapitel, das nichts kostet, weil es nach Waigels strikter Forderung „keine zusätzlichen Ausgaben“ verursachen durfte.

Zudem qualifizieren sich für den Euro-Start im Januar 1999 – wenn überhaupt – wohl höchstens sechs bis acht der jetzt 15 EU-Länder. Um jedene Preis dazugehören wollen von Anfang an Deutschland, Frankreich und Italien. Aber auch Spanien und Portugal unternehmen größte Anstrengungen. Alle Konvergenzkriterien erfüllt bisher jedoch nur das kleine Luxemburg. Briten, Schweden und Dänen haben freiwillig abgewinkt. Damit wird die Gemeinschaft erst einmal geteilt – mit absehbaren Folgen.

Für die „ins“, die Start-Teilnehmer, beseitigt der Euro die Wechselkursrisiken untereinander, was Handel und Wettbewerb in diesem Kern-Europa beflügelt. Für die „outs“ bleiben die Risiken beste hen. Sie werden deshalb mit latentem Abwertungsdruck auf ihre Währungen und Wettbewerbsnachteilen zu kämpfen haben. Allerdings ist ihnen die Teilnahme an der Währungsunion nicht auf Dauer verwehrt: Prüfungen im Zweijahresrhythmus erlauben – wie beim Sport – die Nachmeldung bei Qualifizierung nach den Konvergenzkriterien.

Deshalb wird in der ersten Phase der Währungsunion alles davon abhängen, ob der Euro die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen kann: die Stärkung der Wirtschaftsmacht Europa gegenüber den Wirtschaftsriesen USA, Japan und China. Denn nur dann erscheint den Qualifikanten keine Anstrengung zu groß, um der Stabilitätsgemeinschaft möglichst schnell ganz zuzugehören und dem Projekt „Euro“ nationale Interessen unterzuordnen. Dies ist um so wichtiger, als gleichzeitig mit der Einführung des Euro auch die Verhandlungen zur EU-Erweiterung laufen. Mit der Aufnahme von sechs neuen Mitgliedern, wie von der EU-Kommission empfohlen, würde sich der Kreis der „outs“ vergrößern, würden die Euro-Besitzer zum Elite-Club in einem geteilten Europa werden.

All diese Fragezeichen hinter dem Projekt Euro bestätigen die Skeptiker in ihren Zweifeln. Gelingt das Experiment aber, bleibt auch auf Dauer die Gestaltung der politischen Union kein leeres Versprechen. Denn der wirtschaftliche Gleichlauf (Konvergenz) bei den EWU-Teilhabern erfordert auf lange Sicht mehr als die Konsolidierung der Staatshaushalte: Die Mitglieder werden zwangsläufig den großen Rahmen für wirtschaftliches Handeln, für Beschäftigung, sozialen Ausgleich und für Erhalt der Umwelt gemeinsam abstecken müssen. Doch diese Einsicht muß offenbar mit dem Euro reifen.

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