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Teil sechs In Bonn gehen die Fronten quer durch alle politischen Lager Euro-Befürworter haben klare Mehrheit Viele rätseln über Stoibers Position, die sich durch den Maastrich-Vertragstext kaum stützen läßt - VON GERD RAUHAUS BONN Stark vergröbert lassen sich die Einstellungen zum Euro drei Lagern zuordnen: Gegner, Fans und Terminverschieber. In der Politik nicht in der Bevölkerung tummeln sich die strikten Gegner vorwiegend in national-konservativen Randgruppen. Die Befürworter sind zur Zeit in CDU, SPD, FDP und bei den Grünen noch in einer überwältigenden Mehrheit. Den Verschiebern läuft die Zeit davon. Es würde dem Niveau der politischen Diskussion guttun, wenn der eine oder andere den Maastrichter Vertrag gelesen hätte. Vor allem die Befürworter einer Verschiebung des Termins der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und damit des Einheitsgeldes sollten es bald tun, denn nach dem Vertrag müßte eine Verschiebung bis Ende 1997 beschlossen werden, sonst beginnt die dritte Stufe automatisch am 1. Januar 1999. Im nächsten Frühjahr steht nur noch die Entscheidung an, welche Länder daran teilnehmen. Nur mit festem Termin Eine Verschiebung kann es nach Ansicht
des amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Jean-Claude Juncker
(Luxemburg) nur mit einem festgelegten neuen Termin
geben. Was aber in der Welt spricht dafür, daß die
Staaten, die wie die Bundesrepublik einer der sechs
Kriterien des Vertrags möglicherweise nicht erfüllen,
in drei oder vier Jahren beitrittsreifer sein werden?
Doch die Frage ist müßig, denn weder vom bayerischen
Regierungschef Edmund Stoiber noch von seinem
niedersächsischen Kollegen Gerhard Schröder nach
Einschätzung von FDP-Chef Wolfgang Gerhardt in dieser
Frage Brüder im Geiste geht eine
Initiative zu einer geordneten Verschiebung aus. Eine
unbefristete Aussetzung des Termins würde nach weithin
unbestrittener Einschätzung die Einigung Europas im
günstigsten Fall in die nächste Generation verlagern.
Wollen die Euro-Spektiker das? In der CSU herrscht
Verwirrung über die Ziele und Motive des bayerischen
Ministerpräsidenten. Der stellvertretende
CDU-Vorsitzende Heiner Geißler sagt wenig diplomatisch:
Vermutlich denkt Stoiber, mit Kritik am Euro
ließen sich Wähler gewinnen. FDP-Vize Rainer
Brüderle geht weiter: Stoiber bereite sich auf den
Tag nach Helmut Kohl in Bonn vor. Der Bayer
findet derartige Unterstellungen peride. Er
kann sich auf den Beschluß des Bundestags von 1992
berufen, wo es heißt: Die Stabilität muß unter
allen Umständen gewährleistet sein . Die politische Diskussion über die Stabilitätskriterien, von denen der Maastrichter Vertrag gleich sechs an der Zahl aufführt und von denen nach Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts kaum ein EU-Staat alle erfüllen kann, verengt sich in der Bundesrepublik seit Monaten auf die Begrenzung der Neuverschuldung auf 3,0 Prozent des Bruttoin landsprodukts. Nach nahezu einhelliger Meinung in den Wirtschafts- und Finanzwissenschaften ist sie unsinnig. Auch der Vertrag gibt diese Zahl nicht vor sie findet sich (ohne das Koma Null) nur als Referenzwert in einer Protokollanlage , er hebt auf die Dauerhaftigkeit der finanzpolitischen Disziplin ab. Daher ist es um so unverständlicher, daß auch der Bundeskanzler den Komma-Fetischismus (Geißler) mitmacht, wohl wissend, daß Frankreich die Null hinter dem Komma nicht schaffen wird, eine Währungsunion ohne Frankreich aber nicht viel Sinn macht. Nimmt der Kohl Rücksicht auf seinen Freund und Finanzminister Theo Waigel, der sich in dieser Frage nicht mit Stoiber anlegen will? Der wiederum hat, auch wenn er es leugnet, die Eurogegner der Freien Wähler und die Nationalisten um den Ex-FDP-Politiker Manfred Brunner im Auge. Ein feineres Gespür Außerdem hat Stoiber für die Stimmung im Volk offenlichtlich ein feineres Gespür als Kohl. Die Deutschen sind weltweit nicht gerade führend in der Aufgeschlossenheit für Neuerungen. Schon als in sozialliberalen Zeiten das alte Fünf-Mark-Stück durch das jetzt gültige ersetzt wurde, war die Empörung über das SPD-Geld groß, und noch heute registrieren die Banken eine weitverbreitete Abneigung gegen den 200-Mark-Schein. Daß die Abschaffung der Mark, jener Symbols nationaler Identität und deutscher Leistungskraft, auf Ablehnung stoßen würde, hätte Kohl vorhersehen können, aber er hat wenig getan, die Ängste zu zerstreuen und die Bürgerinnen und Bürger über die Vorteile einer gemeinsamen europäischen Währung aufzuklären. |
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