Euro-Serie 8

Teil acht
Wie wird sich der Euro auf die Beschäftigungsentwicklung auswirken?
Experten dämpfen große Job-Hoffnungen
Mit dem Wegfall der Währungsunterschiede steigt der Wettbewerbsdruck – Tarifpartner gefragt
VON ALEXANDER JUNGKUNZ

Nürnberg – Spannende Frage angesichts von nahezu 20 Millionen Erwerbslosen in der Europäischen Union (EU): Bringt die gemeinsame Währung mehr Beschäftigung – oder führt der Euro zu einem weiteren Stellenabbau? Experten halten sich mit Prognosen eher bedeckt. Sie erinnern daran, daß sich schon an die Schaffung des gemeinsamen Binnenmarktes in der EU 1993 ernorme Erwartungen geknüpft hatten, die dann aber nur in sehr gedämpftem Umfang in Erfüllung gingen – ein europäisches Job-Wunder blieb aus; die Arbeitslosenquoten stiegen in vielen Mitgliedsstaaten.

Klar ist: Wenn der Euro kommt, dann werden alle Kosten und Preise innerhalb der Währungsgemeinschaft transparenter und direkt vergleichbar. Die Unternehmen haben Vorteile und sparen Geld, weil die bisher fälligen Kosten für den Umtausch von Währungen wegfallen. Hier wird ein – wenn auch geringer – negativer Job-Effekt unmittelbar zu Buche schlagen: Wer bisher sein Geld etwa in einer Wechselstube an der Grenze verdiente, dessen Arbeitsplatz fällt mit dem Euro-Start zwangsläufig weg.

Wachstumsschub

In einem einheitlichen Währungsraum, so Heinz Werner vom zur Bundesanstalt für Arbeit gehörenden Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, wird mit den direkt vergleichbaren Preisen auch der Wettbewerb schärfer. „Damit steigt zunächst der Druck auf die Unternehmen, noch mehr zu rationalisieren“ – entsprechende Produktivitätsfortschritte könnten in der Anfangsphase der Währungsunion Stellen kosten. Weil dadurch die Wirtschaft Personalausgaben einspart, erwarten Experten nach etwa zwei drei Jahren einen Wachstumsschub. Dann aber stellt sich die Frage, wofür die Unternehmen ihre Gewinne verwenden – ob für Investitionen in mehr Beschäftigung und neue Produkte, zu weiteren Rationalisierungen oder rein passiv zur ertragreichen Geldanlage.

IAB-Fachmann Werner sieht bessere Chancen nach dem Euro-Start, insbesondere für klei nere und mittlere Unternehmen. „Sie können dann leichter exportieren und expandieren.“ Unbegründet sei die Angst etwa von hiesigen Handwerksbetrieben, ihnen drohe dann Billigkonkurrenz aus dem Ausland: „Da vertrauen die Kunden doch lieber den hier ansässigen Firmen mit dem gut ausgebildeten Personal und vor allem mit der gleichen Sprache als Basis“, glaubt Werner.

Wenn der Euro kommt, dann werden neben den Preisen auch die Löhne direkt vergleichbar – und es wird viel darauf ankommen, wie Arbeitgeber und Gewerkschaften die künftige Tarifpolitik gestalten. Ähnlich wie das Münchner Ifo-Institut rechnet auch Heinz Werner mit einer stärkeren Dezentralisierung der Tarifpolitik. Mit der neuen Transparenz wachse der Druck auf die Tarifparteien zu vernünftigen Abschlüssen, da die jeweilige Lohnhöhe ein noch bedeutenderer Standfaktor werde. Denn eine bisher häufig genutzte Möglichkeit, eventuell zu hohe Tarifabschlüsse auszugleichen, fällt nämlich künftig weg: Die nationalen Notenbanken können nicht mehr mit Abwertungen der Landeswährung auf solche Entwicklungen reagieren und heimische Produkte verbilligen. Daher werden, so schätzt das Ifo-Institut, die Folgen der Tarifpolitik für die Beschäftigung künftig noch viel direkter als bisher zu sehen sein.

Nur das „i-Tüpfelchen“

Sind EU-weite Tarifverhandlungen oder gar ein Euro-Lohn zu erwarten? Kaum. Denn als abschreckendes Beispiel für falsche Lohnfindungsprozesse läßt sich die (zu) rasche Angleichung der Einkommen zwischen Ost und West im deutschen Einigungsprozeß anführen. Nach Ansicht der Münchner Forscher kann die Erkenntnis, daß übertriebene Lohnforderungen in der Währungsunion noch schneller zu Arbeitslosigkeit führen, Arbeitnehmer und Gewerkschaften zu einer veranlassen.

Werner rechnet neben einer zunehmend maßgeschneiderten, regional aufgefächerten Tarifpolitik auch mit einer stärkeren Spreizung der Löhne. Exportorientierte Branchen, die gut im Geschäft stehen, könnten dann zum Beispiel mehr Zahlen als rein am Binnenmarkt agierende Unternehmen. Diesen Trend zu einer keineswegs EU-einheitlichen Tarifpolitik beschrieb der vor kurzem in den Ruhestand ausgeschiedene Direktor im IAB, Wolfgang Klauder, in einem Interview ähnlich. Er glaubt, daß die Währungsunion zunächst eher den Wegfall von Stellen bedeutet, dann aber mit einem Wachstumsschub zu rechnen sei. Rund 500 000 neue Jobs in Deutschland könnten so entstehen, schätzt Klauder. Aber auch er dämpft die Erwartungen. Der Euro stelle nur das „i-Tüpfelchen“ auf dem längst vollendeten europäischen Binnenmarkt dar.

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