Euro-Serie 9

Teil neun
Deutschlands langer Weg hin zu einer einheitlichen Währung
Gulden, Taler, Franken – dann die Mark
Erst die Reichsgründung 1871 leitete auch die Abkehr von einer Vielzahl einzelner Münzsorten ein

VON CARL D. GOERDELER

NÜRNBERG – Die Furcht der Deutschen, der „Euro“ könnte die harte Mark aufweichen, sitzt tief. Sie haben vergessen, daß ihre liebe Mark nicht vom Himmel fiel. Ein einheitliches deutsches Zahlungsmittel wurde erst vor 126 Jahren aus der Taufe gehoben, und die Debatten um die „Reichsmark“ damals erinnern an die aktuellen Kontroversen um den „Euro“.

Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, das war ein Flickenteppich von Königreichen, Fürstentümern und Grafschaften, deren Herrscher eifersüchtig über ihre Pfründe, Wegerechte und Zölle wachten. Doch das geeinte Deutschland ließ auf sich warten. Das Frankfurter Paulskirchen-Parlament von 1848 blieb eine Episode. Die Habsburger Monarchie und das aufstrebende Preußen stritten um die Vorherrschaft. Das erschwerte die Einigung Deutschlands, doch der ökonomische Druck ließ nicht nach.

Eisenbahn als Schrittmacher

Die industrielle Revolution hatte ihren Siegeszug angetreten. Zuerst in England, dann auf dem Kontinent. Die erste deutsche Eisenbahn führte 1835 von Nürnberg nach Fürth – sollte sie vor den engen Landesgrenzen haltmachen? „Achtunddreißig Zoll- und Mautlinien in Deutschland lähmen den Verkehr im Innern und bringen ungefähr dieselbe Wirkung hervor, wie wenn jedes Glied des menschlichen Körpers unterbunden wird, damit das Blut ja nicht in ein anderes überfließe“, klagt im Jahr 1819 Friedrich List, der als erster den Gedanken eines deutschen Zollvereins entwickelt.

Wirtschaftlicher Fortschritt war nur mit offenen Häfen und auf größeren Märkten möglich. Der preußische Finanzminister Motz hatte das eher als andere Staatmänner erkannt. Zuerst band er die zahlreichen Enklaven im preußischen Staatsgebiet an einen einheitlichen Zolltarif, dann versuchte er weitere Kleinstaaten, so zum Beispiel Hessen-Darmstadt, einzubinden. Sofort schossen andere „Zoll-, Han dels- und Steuervereine“ aus dem Boden. Doch erst mit dem „Deutschen Zollverein“ von 1833 gelang es Preußen, einen einheitlichen Binnenzoll durchzusetzen, dem sich noch eine Zeitlang die norddeutschen Staaten verweigerten.

Mit dem „Deutschen Zollverein“ hatte Preußen seine ökonomische Vorherrschaft gesichert, sehr zum Leidwesen von Österreich-Ungarn. Metternich warnte vor den politischen Folgen in einem Brief an Kaiser Franz I: „Die Grundidee ist in allen diesen Verträgen . . . dieselbe. Sie besteht in vollkommener gegenseitiger Freiheit des Handels zwischen den Vereinsstaaten . . . Alles dies aber unter preußischem Schutze und preußischer Präponderanz.“ Ähnliche Bedenken hört man heute aus London über die Rolle Deutschlands und der Deutschen Mark in Europa . . .

Mit dem „Deutschen Zollverein“ waren jedenfalls die Grundmauern für ein einheitliches großes Wirtschaftsgebiet „von der Etsch bis an den Belt“ gelegt. Im „Zollverein“ gab es zwar, wie heute in der EU, einheitliche Zölle und Tarife, aber das Bank- und Währungswesen blieb immer noch so bunt wie die Landkarte.

Der Abgeordnete Ludwig Bamberger zählte vor dem „Zollparlament“ 1870 auf, was eine Bank im Rheinhessischen als Vermögen eines reichen Bauern führt: „Die Summe von 15 834 Gulden bestand aus Doppelthalern, Kronenthalern, verschiedenen Guldenstücken, Thalern, Franken und Goldmünzen: Pistolen, doppelten und einfachen Friedrichsd'or, österreichischen und württembergischen Dukaten, hessischen Guldenstücken, dazu noch Papiergeld undsoweiter, undsofort.“

1870 besaßen immer noch 25 deutsche Länder ihre eigene Bank- und Münzhoheit. Erst die Reichsgründung 1871 im Spiegelsaal von Versailles gab den Weg frei, eine einheitliche Wäh rung einzuführen, die von den Unternehmern wie von den Bürgern heiß ersehnt wurde. Die neue Währung – wie konnte es damals anders sein – mußte natürlich auf dem Golde fußen, und deshalb war die Umstellung relativ leicht. Man hatte bewußt den neutralen Namen „Mark“ (ursprünglich der behördliche Stempel auf Silberbarren) gewählt, und nicht etwa „Taler“ (Preußen) oder „Gulden“ (Süddeutschland) – ein neues Maß also wie der „Euro“.

Mit der Reichsmark war der erste Schritt getan – aber eine deutsche zentrale Notenbank fehlte noch. Sie kam erst 1875 durch das Bankgesetz zustande, und sie war gewissermaßen eine Tochter der Preußischen Bank, die Friedrich der Große 1765 gegründet hatte. Daß der Preußischen Bank diese Rolle zufiel, war nicht verwunderlich, denn sie emittierte damals rund zwei Drittel aller umlaufenden Noten. Doch selbst nach dem 1. Januar 1876, dem Geburtstag der „Reichsbank“, besaßen einige regionale Banken weiter das Notenprivileg, in Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden erlosch es erst im Jahre 1935. Immerhin, bis zum Jahr 1913 betrug der Anteil der Reichsbanknoten bereits 95 Prozent am gesamten Geldumlauf.

Buchstäblich verwässert

„Gold gab ich für Eisen“ – so manche Uhrenkette zierte dieser patriotische Spruch auf den Westen der Großväter. Der Goldstandard, die Verpflichtung der Reichsbank, jede Note jederzeit in Gold zu tauschen, wurde mit dem Weltmachtstreben von Kaiser Wilhelm (Flottenbau-Programm) buchstäblich verwässert. Doch das war nur der Anfang vieler dunkler Kapitel, die mit den Überschriften Inflation, Rentenmark, Weltwirtschaftskrise, Hitler-Diktatur und Deutsche Teilung überschrieben sind.

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