Ohne Risiko und Nebenwirkung
„Die Apothekerin“ im Kino: Rainer Kaufmanns brave Verfilmung des Bestsellers von Ingrid Noll

Trist ziehen sich die Tage der Apothekerin Hella Moormann (Katja Riemann) dahin, trist ist auch das Verhältnis der spröden 30jährigen zur Männerwelt. Geprägt von einem tödlichen Kindheitserlebnis und einsamen Jahren im Mädcheninternat sehnt sie sich nach einem kleinen Glück mit Haus, Mann und Kind (die Reihenfolge ist dabei egal).

Den ersten Schritt aus ihrem introvertierten Singleleben macht Hella, als sich der quirlige Zahnmedizinstudent und ausgewiesene Hallodri Levin (Jürgen Vogel) in ihr Dasein drängelt und dazu gleich reichlich Probleme mitbringt. Da ist Dieter (Richy Müller), ein sinistrer Ex-Sträfling, der bei dem Kumpel von einst alte Schulden eintreiben möchte, und da ist Levins steinreicher Großvater, dem es gefällt, mit seinem Testament Schicksal zu spielen: Hella wird Alleinerbin seines Vermögens, wenn sie nach seinem Tode den Enkelsohn heiratet. Als Levin Hellas Giftflaschensortiment entdeckt, beginnt schließlich die Odyssee durch eine Alltags- Schreckenswelt aus Mord, Intrigen, Eifersucht und Betrug.

Was für ein herrlicher Plot für eine richtig giftige Komödie, zu der Ingrid Noll (Deutschlands Antwort auf Patricia Highsmith) die Romanvorlage geliefert hat! Allein schon die Popularität der Krimiautorin und die hochkarätige Starbesetzung dürfte der Verfilmung des Bestsellers Aufmerksamkeit sichern und dies, obwohl Rainer Kaufmanns Film eklatante dramaturgische Mängel hat. Das abgründige Spiel mit verdrängten Wünschen und lange unterdrückten Trieben, mit Schein und Sein weist viel Leerlauf auf; durch den Verzicht auf die Rahmenhandlung fehlt der spannungsreiche Schwebezustand zwischen Wirklichkeit und Fiktion.

Was als doppelbödig-pointiertes Melodram beginnt, mutiert im Laufe der hundertacht Kinominuten zunehmend zur Slapstickrevue, die sich mit morbiden Anleihen am Krimigenre versucht. Spätestens dort, wo Liebhaber Nr. 3, der schwindelerregend naive Familienvater Pawel (August Zirner) als lebbare Partneralternative auftaucht, läuft der Streifen auf ein lodernd kitschiges Happy-End zu.

Regisseur Kaufmann gelingt es mit seinem handwerklich gediegenem Film nicht, die feinen Verästelungen der Handlung und die Seelenlandschaft der kaputten bürgerlichen Helden transparent zu machen. Daran ändert auch die schauspielerische Leistung von Katja Riemann, Jürgen Vogel und Richy Müller nichts, die vielleicht zu sehr auf ihre bekannten Rollen hin besetzt sind. So bleibt Kaufmanns filmische Giftpille am Ende ohne größere Risiken und Nebenwirkungen. Armin Roucka

 

Ein Interview mit
Katja Riemann
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Hella Moormann hatten Ingrid Nolls Leserinnen ins Herz geschlossen. Sie besitzt etwas von jederfrau, Sehnsucht nach Bürgerlichkeit und Kinderkriegen, aber auch nach Sex und Abenteuer und ein paar verteufelt unvernünftigen Dingen. Ausgeprägtes Moralempfinden ließ die Autorin ihrer Heldin nicht angedeihen, ebenfalls ein Grund, sich mit der Apothekerin einig zu fühlen. Vorschriften gibt es eh genug.

Ein Buch ist ein Buch und ein Film ist ein Film. Nach diesem Gesetz gilt die Qualität des jeweiligen Produkts, ohne auf das Original zu schielen. Das neudeutsche Kino hat sich mittlerweile seine kleinen Meriten verdient, so daß die Kritiker nicht dauernd nörgeln sollten. Trotzdem hat Rainer Kaufmann bei der Adaption eines der populärsten Krimis der letzten Jahre keine Phantasie bemüht, über das Format eines „Stadtgesprächs“ hinaus eine giftige Gesellschaftskomödie zu inszenieren. Alles ganz nett, aber kein bißchen schräg.

Da der Regisseur die Rahmenhandlung wegließ, fehlen die absurden Momente, in denen strauchelnde Liebhaber, mordende Erben und entsetzte Verwandte ordentlich Zunder geben. Hella erzählt ihre Geschichte einer Zimmergenossin im Krankenhaus und steigert die Spannung von Kapitel zu Kapitel. Der Film dröselt alles brav in der richtigen Reihenfolge auf und verschwendet keine Zeit an die kleinen Kuriosa, die den Erfolg der Roman-Apothekerin ausmachten.

Egal, nun steht Katja Riemann vorm Fläschchen-Regal, ganz deutscher Star in Großaufnahme, ohne Geheimnis und ohne Abgründe. So bleibt sie, blond und vorzugsweise schwarz gekleidet, eine Samariterin, deren Ausstrahlung gegen Null tendiert und gewiß nicht zur finsteren Komik taugt. Aber wie sonst kann man mit Ingrid Nolls hausfraulich geschicktem Hexeneinmaleins umgehen? Rainer Kaufmann hat die Antwort nicht, ihm muß sein Handwerk genügen.

Von dem ausgehend, fand er in Jürgen Vogel und Ritchy Müller auch nicht die tollsten Partner. Sie sollen der gescheiten Hella derart den Kopf verdrehen, daß sie am Ende nicht mehr weiß, wer von den beiden der Vater ihres Kindes ist. Nicht zu glauben. Vogel in der Rolle des pubertären Dauerstudenden Levin, der seinem reichen Opa giftig auf den Zahn fühlt und nichts als die Kohle und ein flottes Dasein liebt, entpuppt sich als taube Nuß. Da müßte schon ein frivolerer Charmeur her, der eine frustrierte Mitdreißigerin ins Taumeln bringt.

Hella wäre ja auch nicht ohne. Sie weiß schon, wen sie sich an Land zieht. Die schöne Villa, der Wintergarten, der Traum von Sorglosigkeit und Familie – dank krimineller Schubkraft etwas schneller und etwas leichter zu haben. Da sitzt sie nun mit ihren beiden Männern und einer Schlampe von Haushälterin im gemachten Nest und wird ihrer Taten nicht recht froh. Die Typen sind mies, belügen und betrügen, bitten um schön Wetter und hauen einander krankenhausreif bis der Polizei-Einsatz kommt wie vom „Tatort“. Mehr war nicht.

Ingrid Noll, inzwischen 62, haute viel frecher auf den Putz, auch wenn sie samt vieler ihrer Kolleginnen immer diese rückwärtsgewandten Strategien aufbaut. Wieder eine modisch getarnte Heldin, adrett und patent, die auf nichts anderes wartet als den Prinzen, der ihr Heim und Baby schenken möge. Kann ironisch gemeint sein, steht nur nirgends geschrieben und zu sehen ist es bei der Film-Apothekerin schon gar nicht. INGE RAUH

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