Mit Bargeld gegen Beschwerden

Zwei Drittel aller Reklamationen bei der TUI werden vor Ort geregelt


 

„Bist du zufrieden, sage es anderen, bist du es nicht, sage es mir“: Diesen alten Spruch aus Tante-Emma-Läden hat sich der Hannoveraner Reiseveranstalter Touristik Union International (TUI) zu Herzen genommen. Mit der sogenannten „Zielgebiets-Abhilfe-Kompensation“ sollen Pannen im Urlaub seit April 1996 unbürokratisch, zügig und vor Ort beseitigt werden. TUI-Vorstandsmitglied Karl Born: „Kunden wegen Unzufriedenheit zu verlieren ist das Teuerste für ein Unternehmen.“

Immerhin beschweren sich bei der TUI pro Jahr rund 40 000 Pauschalreisende. Bei durchschnittlich vier Millionen Buchungen ist das zwar ein relativ geringer Anteil, aber die Bearbeitung der Reklamationen dauerte früher im Schnitt 40 Tage, was zu unguten Erlebnissen der Kundschaft führte. Nachdem die unbürokratische Schnellhilfe jetzt in allen Zielgebieten mit TUI-Service eingeführt wurde, können mittlerweile 67 Prozent der Beschwerden vor Ort geregelt werden. Durchschnittlich werden dabei 100 Mark pro Beschwerdeführer von den Reiseleitern ausbezahlt – das summiert sich auf immerhin vier Millionen Mark pro Jahr, rechnet Kundendienstleiter Rüdiger Scharf vor.

Worüber beschweren sich die Kunden? Zu 70 Prozent gaben die Hotels oder Unterkünfte Anlaß zur Klage, zehn Prozent waren mit dem Reiseunternehmen unzufrieden (etwa wegen falscher Katalogangaben oder Baulärm) und 20 Prozent hat die TUI unter „Sonstiges“ eingestuft; hier gab es zum Beispiel Klagen über den Transport. Bei den Hotels wurden besonders häufig der Zimmerzustand, die Einrichtung oder die Lage des Zimmers (der berühmte Meerblick!) gerügt, des weiteren die Bereiche Sportangebot und Animation. Über das Essen beklagen sich rund acht Prozent; ebenso viele Reisende haben mit dem Problem der Überbuchung zu kämpfen: Die Hoteliers haben mehr Betten verkauft als sie haben. Bei den Hotelmängeln greift die TUI zwar regelnd ein, holt sich das Geld aber immer öfter zurück: Etwa die Hälfte der an die Gäste als Entschädigung gezahlten Summe könne man wieder von den Quartiervermietern eintreiben, meint Rüdiger Scharf.

Eine Art Erziehung

Das läuft beispielsweise so: Ein Gast beschwert sich, daß die im Katalog versprochenen Liegen nicht existieren. Dafür gibt es vom Reiseleiter eine Entschädigung, die der Veranstalter vom Hotelier zurückfordert. Und angesichts der auf ihn zukommenden Flut an Zahlungen kauft der Hotelier lieber die begehrten Liegen. „Auf diese Weise können wir die Hoteliers gewissermaßen erziehen“, freut sich Scharf. Das Überbuchungsproblem allerdings sei „fast schon Alltag“.

Freilich verkennt man bei der TUI nicht, daß sich seit Einführung der Kompensationsregelung „ein paar Leute mehr beschweren“. Denn die Hemmschwelle für eine Reklamation ist niedriger geworden. Karl Born hat übrigens auch festgestellt, daß immer mehr Kunden mit ihrem Rechtsschutz drohen. Und in diesem Zusammenhang weist er darauf hin, daß mit Erhalt der Entschädigung weitere Rechte nicht abgegolten seien. Im Klartext: Manche Gäste sind mit der Soforterstattung nicht zufrieden, wollen mehr Entschädigung, was ihnen unbenommen ist. Etwa zehn Prozent der Beschwerdeführer reklamieren nach dem Urlaub noch einmal bei der Zentrale. Vor Gericht geht es allerdings nur bei jeder hundertsten Beschwerde.

Manche Leute allerdings treiben ihren Entschädigungsanspruch ein bißchen weit. „Wenn eine Reise 1100 Mark gekostet hat und der Kunde dann, weil etliches nicht geklappt hat, 20 000 Mark Verdienstausfall geltend machen will, spielen wir nicht so einfach mit“, erläutert Rüdiger Scharf.

Friedrich G. Stern

an die Redaktion

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