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Deutsche haben schlechte Impfmoral
Viel zu häufig wird das Grippe-Virus unterschätzt

"Von rund 20 Millionen Menschen, für die eine Grippeimpfung empfehlenswert ist, lassen sich nur 20 Prozent wirklich impfen", beklagt Helmut Uphoff, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) in Marburg. Viele unterschätzen nach das gefährliche Virus, das in einigen Fällen sogar den Tod bringen kann. Im Volksmund werde das Wort Grippe oft falsch verwendet, schnell werde behauptet, man habe Grippe, nur weil Fieber, Husten und Gliederschmerzen auftreten. "Oftmals handelt es sich aber nur um einen grippalen Infekt, auch wenn der Krankheitsverlauf derselbe ist".

Aus den Auswertungen der AGI und des Robert-Koch-Instituts in Berlin sowie aus Beobachtungen in anderen Ländern stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) alljährlich einen speziellen "Impfcocktail" für den jeweils zu erwartenden Typ der Influenza zusammen. "Das Virus ist sehr wandlungsfähig, und durch eine Veränderung kann ein ganz neues Virus entstehen, das zu einer neuen Infektion führen kann", erklärt Uphoff. Deshalb muß die Impfung auch jedes Jahr wiederholt werden. Da die neuen Influenzatypen fast immer im ostasiatischen Raum entstehen, um dann über die südliche Erdhalbkugel nach Europa und Amerika zu ziehen, können die zu erwartenden Influenzastämme bereits sechs Monate vor ihrem "Eintreffen" in Europa erkannt werden. Nach Angaben des AGI-Wissenschaftlers Brede wird bei einer Infektion mit dem Grippevirus bei 30 bis 40 Prozent der Immunisierten das Ausbrechen der Symptome verhindert. Bei den übrigen 60 bis 70 Prozent verläuft die Krankheit milder als bei Nichtgeimpften.

"Gerade für die sogenannten Risikogruppen ist eine Impfung sehr wichtig", betont Uphoff. Zwischen 80 und 90 Prozent der Todesfälle infolge von Influenza betreffen Menschen im Alter über 65 Jahre. Doch auch Jüngere und selbst Kinder sind stark gefährdet, wenn sie ein chronisches Leiden haben. Dazu zählen Erkrankungen der Lungen oder des Herz-Kreislauf-Systems sowie Stoffwechselerkrankungen, Nierenschäden und Asthma. Nach Empfehlung der AGI sollten sich aber auch Personen impfen lassen, die eine Influenza auf Risikopatienten übertragen könnten - vor allem Krankenhausangestellte und das Personal von Kindergärten. Doch nur 20 Prozent dieser Risikogruppe lassen sich nach Angaben Uphoffs impfen. An möglichen Nebenwirkungen der Impfung könne es kaum liegen, denn die seien im allgemeinen sehr milde. Die Impfbereitschaft läßt der AGI zufolge in ganz Europa zu wünschen übrig. Mit am schlechtesten ist sie in Großbritannien und Deutschland, obwohl gerade hier die Krankenversicherung die Kosten übernimmt.

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