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Nürnberger Zeitung 1996
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Deutsche haben
schlechte Impfmoral
Viel zu häufig wird
das Grippe-Virus unterschätzt
"Von rund 20 Millionen
Menschen, für die eine Grippeimpfung empfehlenswert ist,
lassen sich nur 20 Prozent wirklich impfen", beklagt
Helmut Uphoff, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Influenza
(AGI) in Marburg. Viele unterschätzen nach das
gefährliche Virus, das in einigen Fällen sogar den Tod
bringen kann. Im Volksmund werde das Wort Grippe oft
falsch verwendet, schnell werde behauptet, man habe
Grippe, nur weil Fieber, Husten und Gliederschmerzen
auftreten. "Oftmals handelt es sich aber nur um
einen grippalen Infekt, auch wenn der Krankheitsverlauf
derselbe ist".
Aus den Auswertungen der
AGI und des Robert-Koch-Instituts in Berlin sowie aus
Beobachtungen in anderen Ländern stellt die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) alljährlich einen
speziellen "Impfcocktail" für den jeweils zu
erwartenden Typ der Influenza zusammen. "Das Virus
ist sehr wandlungsfähig, und durch eine Veränderung
kann ein ganz neues Virus entstehen, das zu einer neuen
Infektion führen kann", erklärt Uphoff. Deshalb
muß die Impfung auch jedes Jahr wiederholt werden. Da
die neuen Influenzatypen fast immer im ostasiatischen
Raum entstehen, um dann über die südliche Erdhalbkugel
nach Europa und Amerika zu ziehen, können die zu
erwartenden Influenzastämme bereits sechs Monate vor
ihrem "Eintreffen" in Europa erkannt werden.
Nach Angaben des AGI-Wissenschaftlers Brede wird bei
einer Infektion mit dem Grippevirus bei 30 bis 40 Prozent
der Immunisierten das Ausbrechen der Symptome verhindert.
Bei den übrigen 60 bis 70 Prozent verläuft die
Krankheit milder als bei Nichtgeimpften.
"Gerade für die
sogenannten Risikogruppen ist eine Impfung sehr
wichtig", betont Uphoff. Zwischen 80 und 90 Prozent
der Todesfälle infolge von Influenza betreffen Menschen
im Alter über 65 Jahre. Doch auch Jüngere und selbst
Kinder sind stark gefährdet, wenn sie ein chronisches
Leiden haben. Dazu zählen Erkrankungen der Lungen oder
des Herz-Kreislauf-Systems sowie
Stoffwechselerkrankungen, Nierenschäden und Asthma. Nach
Empfehlung der AGI sollten sich aber auch Personen impfen
lassen, die eine Influenza auf Risikopatienten
übertragen könnten - vor allem Krankenhausangestellte
und das Personal von Kindergärten. Doch nur 20 Prozent
dieser Risikogruppe lassen sich nach Angaben Uphoffs
impfen. An möglichen Nebenwirkungen der Impfung könne
es kaum liegen, denn die seien im allgemeinen sehr milde.
Die Impfbereitschaft läßt der AGI zufolge in ganz
Europa zu wünschen übrig. Mit am schlechtesten ist sie
in Großbritannien und Deutschland, obwohl gerade hier
die Krankenversicherung die Kosten übernimmt.
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