Vorsicht ist beim Gebrauchtwagenkauf geboten
Und läuft und läuft . . .

Über die Einzelheiten des Autokaufs sind die Parteien schnell einig geworden: 26 000 DM sollte der gebrauchte Pkw kosten, der übliche Zusatz „unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung“ fehlte in dem Vertrag ebensowenig wie die Zahlungsmodalitäten – nämlich bar bei Übergabe des Fahrzeugs. Weitergehende Zusicherungen des Verkäufers, so die eindeutige Formulierung, sollten nur schriftlich gültig sein. Eine Klausel, die später ungeahnte Bedeutung erlangen sollte, denn als der Käufer einen Tag später den Pkw bezahlte und abholte, ließ er sich – schlauerweise – vom Geschäftsführer der Autofirma eine sogenannte Garantieerklärung unterzeichnen, derzufolge das Fahrzeug bislang erst 51 000 Kilometer Fahrleistung absolviert habe. Es kam, wie es kommen mußte: Der vermeintlich stolze Käufer erfuhr nach einiger Zeit von einem früheren Besitzer des Gefährts, daß der Pkw mindestens 179 000 Kilometer „auf dem Buckel“ hatte. Die Folge: Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg mußte darüber entscheiden, ob dies die Rückzahlung des Kaufpreises an den geprellten Kunden rechtfertigt (Urteil vom 20. 11. 1996 – Aktenzeichen 2 U 13/96, veröffentlicht in: Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport 1997, Seite 428).

Das rechtliche Ergebnis überrascht nicht, entspricht vielmehr dem gesunden Menschenverstand: Zwar muß sich der Kläger die – wie die Juristen das nennen – „Gebrauchsvorteile“ des Autos anrechnen lassen – also den geldwerten Vorteil der vorübergehenden Nutzungsmöglichkeiten des Pkw. Gleichwohl aber erhielt der Mann (selbstverständlich gegen Rückgabe des nunmehr ungewollten Gefährts) einen Großteil des gezahlten Kaufpreises zugesprochen. Denn: In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß es sich bei der Garantie einer bestimmten Kilometerleistung um eine sogenannte „zugesicherte Eigenschaft“ im Sinne des § 459 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) handelt. In dieser Vorschrift (und in dem wichtigen § 459 Absatz 1 BGB) ist die Haftung für Sachmängel geregelt – die festlegt, ob und wann ein Käufer seinem Vertragspartner für wertmindernde Fehler des verkauften Gegenstands einzustehen hat. Es leuchtet ein, daß dem tatsächlichen und wahrheitsgemäßen Tachostand eine zentrale Bedeutung beim Autokauf zukommt. Wer über diesen (für den Kaufpreis ausschlaggebenden) Punkt täuscht, der verdient naturgemäß nicht den Schutz der Rechtsordnung. Insoweit hat sich der Geschäftsführer der Beklagten schlicht zu weit aus dem Fenster gelehnt: Wenn ein Verkäufer nämlich auf ausdrückliche Nachfrage eines Kunden verbindlich zusichert, daß eine ganz gestimmte Laufleistung gegeben ist, so signalisiert dieses Verhalten, daß er die juristische Konsequenz übernehmen will, wenn die Angaben falsch sind (so bereits der Bundesgerichtshof, in Neue Juristische Wochenschrift 1983, Seite 2192).

Die Verteidigung des Beklagten stand angesichts dieser sicheren juristischen Erkenntnis auf allzu schwachen Füßen: Allein der Umstand nämlich, daß im konkreten Fall die Zusicherung erst einen Tag nach Abschluß des Kaufvertrags gegeben wurde (und noch dazu auf einem gesonderten Formular anstatt auf der Vertragsurkunde selbst), entlockte den Brandenburger Richtern allenfalls ein Achselzucken. Maßgeblich ist der Gesamtzusammenhang der Verhandlungsgespräche und der schützenswerte „Empfängerhorizont“ des Klägers – also die Frage, wie dieser das Geschehen verstehen durfte.

Thomas Wegerich

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