""L.A. Confidential" lief vor wenigen Wochen in den amerikanischen Kinos an. Ein Film, der in einem Atemzug mit dem Klassiker "Chinatown" mit Jack Nicholson genannt wird. Dazu wurde natürlich auch ein Soundtrack auf den Markt gebracht. Filmmusik ist immer eine Sache für sich. Entweder werden bekannte Bands dafür angeheuert oder ein Regisseur entpuppt sich als verkappter Computerfreak und klimpert eine Melodie zu seinen Bildern.

Anders jedoch der Soundtrack zu "L.A. Confidential". Es ist eine erfrischende Mischung aus Liedern, die Anfang der 50er Jahre Hits waren.

Neben dem Lounge-König Dean Martin sind unter anderem auch Chet Baker, Betty Hutton und Kay Starr vertreten. Filmmusik wie sie sein sollte: Eine Untermalung der beeindruckenden Bilder von Curtis Hanson. "L.A. Confidential" wird sich sicherlich als Klassiker in der Filmgeschichte etablieren, und der Soundtrack zum Film wird ohne Zweifel einen besonderen Platz in der Plattensammlung eines jeden Musikfans finden.

Die Kanadierin Julie Doiron legt mit ihrer zweiten Platte "loneliest in the morning" ein minimalistisches Album vor. Was nicht heißen soll, es ist beschränkt. Ganz im Gegenteil: Julie Doiron ist eine Ausnahmemusikerin, die mit ihrer einzigartigen Stimme - vergleichbar mit Suzanne Vega - und nur mit einer Akkustikgitarre bewaffnet, aus ihrem Privatleben erzählt.

Doiron berichtet von den Alltagsfreuden und Alltagssorgen, der Einsamkeit und ihren Bedenken. Es ist beeindruckend, noch eine Musikerin zu finden, die in einem harten Musikgeschäft ohne Schnörkel und Umwege den direkten Weg zum Hörer sucht. "loneliest in the morning" klingt, als hätte Julie Doiron in ihrem Wohnzimmer ein Vierspur- Aufnahmegerät laufen lassen und einfach drauflosgespielt. Tatsächlich war jedoch Howe Gelb von Giant Sand in die Produktion dieser Platte einbezogen, und der ist ein Meister des unendlich weiten Akkustiksounds. "loneliest in the morning" ist ein ruhiges und beruhigendes Album.

Industrial-Musik "made in Germany" ist "in" in den USA. Unter anderem belegt das auch ein neuer Sampler mit dem Titel "Industrial Mix Machine", erschienen auf Cleopatra Records. Eines wird dabei klar: Die deutsche Musikszene hat auch in den USA einen sehr guten Ruf. Bands wie "Kraftwerk", "Die Krupps" und die "Einstürzenden Neubauten" haben seit Jahrzehnten international die Grenzen des musikalisch Möglichen verschoben. Anfangs ging es der Industrial Musik um die Extreme. Es wurde mit allem experimentiert, was Lärm, Krach und neue Geräusche von sich gab. Ganz im Sinne des Namensgebers dieses Musikstils, dem Performance Künstler Monte Cazazza, der mit allen verfügbaren Gegenständen Musik für die moderne Konsumgesellschaft kreierte. "Kraftwerk" spielten schon Anfang der siebziger mit zum Teil minimalistischen Melodien und gelten heute als die Urväter der Industrial- und Techno-Szene. "Die Krupps" mit ihrer 1981er "Stahlwerksinfonie" folgten Cazazza voll und ganz. Ein lautes, schrilles und disharmonisches Werk. Die "Einstürzenden Neubauten" hingegen brachten zwei Extreme in einem umjubelten und umstrittenen Konzert zusammen. Sie spielten 1985 im Goldenen Saal auf dem ehemaligen Nürnberger Nazi-Parteitagsgelände. Dort, wo Adolf Hitler und seine Gefolgstreuen sich auf ihre Auftritte vorbereiteten, hämmerten die "Einstürzenden Neubauten" auf Ölfässern und mitgebrachten Werkzeugen herum.

Die deutsche Szene gilt seit jeher als innovativ. Kein Wunder also, daß auf diesem neuesten Industrial-Sampler, "Industrial Mix Machine", deutsche Bands vertreten sind. Neben den Großvätern des Genres "Die Krupps" auch "Project Pitchfork" und "Lights of Euphoria". Das besondere an dieser Doppel-CD ist jedoch, daß die Songs alle neu abgemischt wurden. Eine freundschaftliche Hommage in der Industrial-Szene. Andere Bands mixen die Lieder der Kollegen neu auf, geben ihnen zum Teil eine ganz neue Bedeutung.

Was auf diesem Sampler auch h÷rbar wird, ist, daß die gesamte Musikrichtung sich verändert hat. Ging es anfangs um Lärm und Extreme, werden nun Rhythmen und tanzbare Melodien gesucht. Industrial ist heute die moderne E-Musik. 24 Bands spielen auf "Industrial Hit Mix", eine Zusammenarbeit von nordamerikanischen, skandinavischen, englischen und deutschen Gruppen. Die Szene zeigt sich hier in einem neuen Gewand - der Soundtrack einer pulsierenden Metropole.

Es gibt sie noch. Die Platten, in die man sich auf Anhieb verliebt. Michael Penn, Bruder von Ex-Madonna-Begleiter und Schauspieler Sean Penn, ist ein Liedermacher, der aussergewöhnlichen Sorte. Seine jüngste, mittlerweile dritte, Scheibe "Resigned" ist erneut eine wundervolle Gefühlsreise durch die Tiefen der menschlichen Beziehungen. Michael Penn mit einfühlsamer Stimme und gefühlvoller Gitarre zieht den Hörer mit sich. Er macht es einfach. Die Lieder ohne viel drumherum zusammengestrickt, geht Penn einen ungewöhnlichen Weg. Er schafft die romantische, spirituelle und knisternde Stimmung. Gedanken an schöne Augenblicke und an verflossene Liebschaften tauchen automatisch vor einem auf. Michael Penn ist nicht der Hitschreiber, was auch gut so ist. Er ist mit "Resigned" der stille Freund, der seine Gedanken ausschüttet und zum Zuhören auffordert. Am Ende der CD bedauert man nur, dass das Treffen schon vorbei ist. "Resigned", eine ruhige doch ermutigende CD.

Es gibt Bands, die entstehen einfach aus einer Laune heraus. Tuatara ist solch eine Formation. Vier nicht gerade unbekannte Musiker haben sich hier zusammengefunden und eine Instrumentalplatte der Spitzenklasse aufgenommen.

Peter Buck von R.E.M., Barrett Martin von den Screaming Trees und Mad Season, Justin Harwood von Luna und Skerik, der bereits mit den verschiedensten Bands spielte, sind Tuatara. Hinzu kommen die drei Gastmusiker Mike McCready von Pearl Jam, Steve Berlin von Los Lobos und Scott McCaughey von den Young Fresh Fellows. Dieser bunte Haufen hat eine farbenfrohe CD geschaffen. Weltmusik, wie sie besser nicht sein kann.

Afrikanische Percussion neben australischem Didgeridoo, tibetanisches Horn ergänzt von einer indischen Sitar und den verschiedensten Saiteninstrumenten aus Peter Bucks umfangreicher Sammlung. Alles wurde rein akkustisch gehalten, nur wenige Teile elektronisch verstärkt. Breaking The Ethers ist denn auch ein Eintauchen in eine wunderbare Klangwelt. "Jeder von uns hat in seinen Bands den Ruf, neues im Rock'n Roll auszuprobieren.

Also kamen wir zusammen und sagten uns: Warum versuchen wir nicht mal etwas ganz anderes", erklärt Barrett Martin das Projekt Tuatara. Ohne Frontmann schafft es die Gruppe auf dieser Platte, die verschiedensten musikalischen Einflüsse zu vereinen. Miles Davis, Ennio Morricone und Zakir Hussein sind zu hören und dennoch ist Breaking The Ethers nicht einfach eine Kopie. Gerade durch die Vielfalt der Einflüsse entsteht etwas Neues, Lebendiges. Man kann nur hoffen, daß Tuataras Breaking The Ethers nicht ein einmaliger Ausflug dieser Musiker bleiben wird.

1995 im Sommer saß ich im Nürnberger Burggraben und lauschte einem Mann auf dem Bardentreffen, der mit seiner Gitarre da oben auf der Bühne saß und eine Mischung aus Country und Folk Musik präsentierte.
Danach vergaß ich ihn wieder. Doch dann las ich vor wenigen Monaten, daß Townes van Zandt gestorben ist. Mit 52 Jahren erlitt er am Neujahrstag einen Herzanfall. Irgendwo wurde ich doch neugierig und hörte ihn erneut. Und van Zandt ist wirklich eine Entdeckung. Sugar Hill Records brachten in diesen Tagen zwei Platten des amerikanischen Barden heraus, die einen kleinen Querschnitt durch das Schaffen des Musikers bieten. "The Highway Kind" und "Rear View Mirror" zeigen einen Mann, der viel auf der Straße war und von dort berichtet. Wie seine musikalischen Vorbilder Hank Williams und Woodie Guthrie pilgerte auch Townes van Zandt durch die Welt. Er hatte Augen und Ohren für den Mann von nebenan, für denjenigen, der in der Bar sein Bierglas alleine abstellte.
Ein Kritiker meinte einmal, daß van Zandt in jene Ecken unserer Gesellschaft ginge, in die wir nicht gehen konnten, vielleicht sei er sogar dort gewesen, damit wir dorthin nicht schauen müßten. "The Highway Kind" ist ein ruhiges und nachdenkliches Album, fertiggestellt vor seinem Tod. Doch es zeigt nocheinmal die ganze Stärke dieses beeindruckenden Musikers - eines Mannes, der mit seinen Liedern und seinem Einsatz unzählige Künstler beeinflußt hat. "Rear View Mirror" hingegen wurde bereits 1993 in einer sehr kleinen Auflage in Austin veröffentlicht. Townes van Zandt ist hier mit seinen bekanntesten Liedern aus drei Jahrzehnten vertreten. Beide Platten sind melancholische Nachrufe auf einen der ganz Großen. Townes van Zandt ist nicht mehr, doch seine Musik wird auf den Highways weiterleben.

Die Supersuckers sind eine Band, hinter der mehr steckt, als der Name verspricht.Ihre neue CD "Must've been high" ist eine Mixtur aus gelangweilten Country- und Westernklängen, vor sich sieht man Charles Bronson in "Spiel mir das Lied vom Tod", und erfrischendem West-Coast Rock.

Die Band aus Seattle ist eigentlich bekannt für kompromißlosen, harten und dreckigen Rock. Doch nun dies. Man stelle sich die Ramones im Duett mit Hank Williams vor. Irgendwie unvorstellbar, doch die Supersuckers, eingefleischte Ozzy Osbourne Fans, haben mit "Must've been high" ein ruhiges, durchdachtes, teils melancholisches Album vorgelegt. Die Supersuckers spielten auf Willie Nelsons "Farm Aid" Open-Air, einer Initiative, die kleinen Farmern im Mittleren Westen helfen soll. Irgendwie waren sie dort fehl am Platz, doch dann auch wieder nicht, denn zweifellos öffnen Bands wie sie die Countrymusik für neue Hörer. Ihr jüngstes Werk ist also nur ein weiterer Schritt in eine "westliche" Richtung. Die rauchig-versoffene Stimme von Leadsänger Eddie Spaghetti ist tragend.

Akkustik- und Steel Guitar, Banjo und Fiedel ergänzen den Sound des weiten und wilden Westens. Es macht Spaß den Supersuckers zuzuhören. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht läßt man sich durch "Must've been high" führen.

Viele Ecken und musikalische Einbuchtungen sind zu entdecken, die erst nach einiger Zeit erkannt werden. Die Band selbst meint auf dem Cover, daß sie eine verdammt gute Zeit beim Einspielen der Platte hatte. Eddie, Renaldo, Dan und Dancing Eagle, ich hatte und habe noch immer eine verdammt gute Zeit, mir dieses Album anzuhören. Und wann kann man sowas schon sagen.

Sackcloth 'n' Ashes von Sixteen Horsepower ist bereits seit einem Jahr auf dem Plattenmarkt. Anfangs wollte niemand etwas von dem komplexen Sound der drei Männer aus Denver, Colorado, hören, doch langsam entwickelt sich die CD zu einem Renner. Es ist nicht leicht, die Musik von 16 Horsepower zu beschreiben. Die Plattenfirma A&M selbst bezeichnet den Sound als "American Gothic". Das ist jedoch ein Begriff, der alles und nichts aussagt. Um der Sache ein stückweit näher zu kommen sollte man sich die Lieblingsbands von Schlagzeuger Jean-Yves Tola näher anhören: Gun Club, Nick Cave, Bob Dylan, Leonhard Cohen, Johnny Cash. Das alles in einen Topf geworfen, rumgerührt und dann noch das Markenzeichen "Alternative" obenauf und 16 Horsepower sind geboren. Klingt leicht, ist es aber nicht. Zweifellos lassen 16 Horsepower mit zehn klassischen Instrumenten, von Geige bis Kontrabass, von Banjo bis Bandoneon, und der sich nervig überschlagenden Stimme von Leadsänger David Eugene Edwards, einen ganz neuen Sound entstehen. Die Musik schafft die Atmosphäre des weiten und wilden Westens, in dem Edwards mit seiner Stimme als lonesome Cowboy durch die Gegend reitet und seine dunklen Geschichten erzählt. Der genialste Song auf "Sackcloth 'n' Ashes" ist American Wheeze. Ein Rausch, der sich von Sekunde zu Sekunde steigert. Ein Lied, wie für eine nächtliche Autofahrt geschaffen. 16 Horsepower sind wie ein wunderbarer Soundtrack für eine stürmische Gewitternacht. Laut, zärtlich, emotionsgeladen, direkt und dennoch voller Tücken. Zweifellos eine der interessantesten jüngsten Veröffentlichungen.

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